Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
Sie sagte sich, wenn sie hier unbehelligt verschwinden konnten, dann war jede Beziehung zwischen ihnen beiden ohnehin vorbei. Sie würde ihm nie wieder begegnen. Und warum sollte sie sich nach der schrecklichen Angst, die sie ausgestanden hatte, nicht diesen kleinen Kuss gönnen, gewissermaßen als Therapie? Aber vielleicht entwickelte sich hier auf der Treppe auch der Anfang einer Affäre.
Friedangers Bild tauchte auf, sie wollte es wegschieben, aber Edmund, der sonst so zaghafte Edmund, blieb hartnäckig. Er lächelte sie an, ein bisschen lüstern. Diesen Blick hatte sie an vielen Männern beobachtet. Sie liebte es, mit Blicken gierig verschlungen zu werden. Mit Friedanger konnte sie sich alles vorstellen, aber mit Krefeld? Julia hatte da so ihre Zweifel.
So ganz unschuldig an diesen Gedanken war ihr Ehemann durchaus nicht. Herr Doktor Getti, immer nur er. Überall prangte sein Name in Gold. Das Türschild an der Villa, die große Tafel an seiner Kanzlei war dick vergoldet. Er stritt das ab und bestand darauf, es sei Messing. Aber hinter vorgehaltener Hand erzählte seine Sekretärin jedem, der es hören wollte: Es war tatsächlich Gold, was da so glänzte. Ob er sie mit seiner Sekretärin betrog? Und wenn schon: War das wichtig für sie?
Wenn Julia mit ihm reden wollte, dann hieß es immer >Ja, Liebstes, bitte sei so lieb und lass mir einen Kaffee bringen. Wir verschieben das auf später. Ist es dir recht?< Es war ihr nie recht, und es war immer der gleiche Wortlaut, nur >Liebstes< wurde hin und wieder ersetzt durch >Schätzchen, Baby, mein hübsches Kind, Herzchen oder Goldkind<. Sie war, verdammt noch mal, nichts von alledem! Er scheffelte ordentlich Geld, aber sie hätte seine ganze Kanzlei samt allen Mitarbeitern bequem aus ihrer Portokasse bezahlen können, wenn sie eine gebraucht hätte.
Julia war schon wieder obenauf. Es war ja alles gut gegangen. Die Regatta konnte steigen.
23.
Gut gelaunt besuchte Julia ihre Freundin Sandra und fragte, wie der Salon so liefe. Sie erwartete keine Antwort, sie sah die meisten Plätze besetzt, kaum ein Platz war noch frei. Aber sie wunderte sich doch ein bisschen, wieso Sandra nichts sagte; sonst war sie immer gut gelaunt gewesen und hatte über irgendeine nette Sache geplaudert, die sie erlebt oder von der sie gehört hatte. Diesmal blickte Sandra ernst und düster drein, legte Julia den Umhang um und fragte rein geschäftsmäßig, was es denn diesmal sein sollte.
»Was ist los?«, fragte Julia so harmlos wie möglich zurück.
Sandra ließ die Arme sinken. Mit herabhängenden Schultern stand sie hilflos hinter Julia. Sie presste die Lippen aufeinander, so als wolle sie um keinen Preis etwas sagen.
»Nun rede schon«, forderte Julia sie in einem solchen Tonfall auf, mit dem eine Mutter ihre viel zu früh geschwängerte Tochter trösten würde.
»Können wir nebenan reden?«
»Sicher«, sagte Julia. Sie konnte sich nicht denken, was Sandra erschreckt haben mochte, aber sie war doch sehr beunruhigt. Sie stand auf. Sandra nahm ihr den Umhang ab und legte ihn auf die Lehne. Sie gingen in das Nagelstudio, das war gerade frei. Sandra fing gleich an zu erzählen, die Tür war noch nicht richtig geschlossen. Aber Julia wünschte sich erst eine Tasse Kaffee. Sie dachte, das Koffein würde zwar nicht gerade beruhigend wirken, aber die Zeit, die Sandra mit der Zubereitung verbrachte, müsste ihren Kummer dämpfen. Nein, Kummer war es nicht. Sandra hatte sich über irgendetwas geärgert, da war Julia sich jetzt ziemlich sicher. Und dieser Ärger musste mir ihr zu tun haben. Was konnte Sandra über sie erfahren haben? Da war in der Tat allerhand denkbar. Hatte sie sich über das spontane Bekenntnis zur Lesbierin geärgert? Wie nun, wenn sie es als Lüge begriffen hatte?
Sandra brachte den Kaffee. Sie setzten sich an den Glastisch, streng gegenüber. Sandra rührte mit einem Löffel in der Tasse herum, obwohl sie weder Sahne noch Zucker genommen hatte. Ohne aufzublicken begann sie mit ungewohnt ernster Stimme: »Ich habe Frau Großmann frisiert. Du erinnerst dich. An dem Tag, an dem ich dich für den fingierten Unfall geschminkt habe. Das kam mir wirklich sehr merkwürdig vor. Wenn ich mit einem Mann ins Bett gehen will, dann lasse ich mir doch nicht das Kleid zerreißen und mich mit Teer beschmieren.«
Sie legte den Löffel auf die Untertasse und trank einen Schluck.
»Und dann deine Bitte, dich sofort anzurufen, falls die Frau Großmann nur etwas kaufen und meinen Salon
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