Kleine Schiffe
Raum. »Du bist ungebunden, ohne lästigen Kinderanhang, siehst gut aus und kannst kochen. Die Männer werden dir die Tür deines Häuschens einrennen!«
»Dazu muss die Tür aber erst einmal gestrichen werden!«, japse ich, befreie ich mich aus ihrem Griff und gieße den letzten Sekt ein. »Also, Prost!«
Schon einen Monat später meldet Tina uns für einen Kochkurs an.
»Aber ich kann doch kochen!«, jammere ich entgeistert, als sie nach der Arbeit mit der Nachricht bei mir vorbeikommt. »Wieso kochen? Warum nicht wenigstens ein Gospel-Workshop?«
Jetzt ist es an Tina, mich entgeistert anzustarren. »Gospel-Workshop? Seit wann singst du denn?«
Ich zucke nur mit den Achseln. Dass ich vor einigen Tagen im Bioladen einen Zettel mit der Ankündigung »Gospelchor sucht neue SängerInnen« abgerissen habe, verschweige ich ihr lieber und lenke ab. »Soll ich den Kamin anheizen? Es ist ja immer noch recht kühl.«
Unser Gespräch findet auf meinem neuen Sofa statt, das ich auf einem meiner Wochenendbeutezügen durch Einrichtungshäuser und Wohnmärkte entdeckt habe. Es ist mit rotem Samt bezogen und sehr gemütlich. Als das Feuer brennt, schließe ich die Glastür vor dem Kamin und setze mich im Schneidersitz auf den Teppich.
Tina lehnt sich zufrieden zurück. »Eine neue Wohnung ist wie eine neue Liebe, nicht wahr?«
»Ach, weißt du, die alte Liebe wäre mir eigentlich genug gewesen«, seufze ich.
Tina schürzt missbilligend die Lippen. »Nun begreif das doch endlich als Chance! Andreas ist weg und kommt so schnell nicht wieder.«
»Du hast ihn doch auch gemocht.«
Tina nickt. »Ja, und zwar sehr. Aber ich finde, dass er dich … nun ja …« Sie verstummt.
Ich starre sie an. »Er hat mich was?«
Tina zieht unbehaglich die Schultern hoch. »Na, ich fand schon, dass er dich manchmal ein bisschen bevormundet hat.«
Das ist mir neu. »Wie meinst du das?«
»Er hat dir überhaupt nichts zugetraut – außer vielleicht, sein Lieblingsessen zu kochen.«
»Das stimmt doch gar nicht!« Meine Stimme klingt schärfer, als ich will.
Aber Tina lässt sich davon nicht beeindrucken. Sie kontert ebenso laut: »Doch, Franzi, das stimmt.« Dann zählt sie auf: »Er ist ständig auf Achse gewesen – Lauftreff, Marathongruppe, Segeln, Radtouren. Und wenn er nach Hause kam, hat er sich an den gedeckten Tisch gesetzt.«
Da hat sie recht. Andererseits hatte ich doch nichts Besseres vor. Ich habe das gern getan. Und ohne, dass Andreas das von mir verlangt hätte. Wir haben das nie besprochen. Ich habe es einfach gemacht – und war stolz darauf, dass er mein Essen mochte.
Tina fährt ungerührt fort: »Nicht einmal ein Bild durftest du selbst aufhängen. Er hat dir doch ständig das Werkzeug aus der Hand genommen. Und dann hat er dir dauernd alles erklärt: wie man Kochwäsche behandelt, Espresso kocht, am sinnvollsten staubsaugt! Nein, nein, Andreas hat in dir das hilflose Weibchen gesehen, das am liebsten Patchworkdecken näht und Konfitüre einmacht.«
Ich muss lachen. Dass er mir ständig etwas erklärte, was ich schon längst täglich benutzte (Waschmaschine, Tiefkühltruhe, das neue Dampfbügeleisen, den Staubsauger, die Kaffeemaschine), war sogar zwischen Andreas und mir ein häufig zitierter Witz gewesen. Aber ein Fünkchen Wahrheit steckt natürlich in dem, was Tina sagt: Andreas war immer mein Beschützer – er gab in unserer Beziehung den Ton an. Vielleicht hat ihn das am Ende gelangweilt?
Tina scheint meine Gedanken zu lesen. »Jetzt fang aber bitte nicht an, darüber nachzugrübeln, ob das alles deine Schuld war. War es nicht. Jedenfalls nicht ausschließlich. ›Was zwei Menschen verbindet, kann kein dritter beurteilen‹, heißt es. Wahrscheinlich gilt das genauso für das, was Menschen irgendwann trennt. Da wird plötzlich aus einer Mücke ein Elefant – und die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Eigentlich ist es doch ein völlig normaler Vorgang. Man liebt sich, man entliebt sich, man verliebt sich aufs Neue. Keine große Sache. Passiert dauernd und täglich.« Für mich stimmt das so nicht. Für mich ist das eine große Sache. Ich habe mich nie richtig entliebt. Ich liebe Andreas immer noch. Seine Marotten? Ich habe mindestens ebenso viele! Mich neu zu verlieben – das erlebe ich wahrscheinlich auch nicht. Jedenfalls nicht täglich.
Laut sage ich: »Aber dass etwas dauernd und täglich passiert, macht es doch nicht weniger schmerzhaft.«
Tina streicht mir verständnisvoll über den Arm. »Ich weiß,
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