Kleine Schiffe
entdeckten Lebensfreude im Clinch. Denn immer wieder taucht in diesem See freudiger Gefühle der hässliche Frosch des Zweifels auf. Er steckt seinen dicken glibberigen Kopf aus dem Wasser und quakt: »Wirst du Simon auch ein zweites Mal gefallen? Wirst du ihn überhaupt wiedersehen?« Weil ich auf diese Frage sowieso keine Antwort finde, entscheide ich mich, einmal nicht vernünftig zu sein. Und weit hinten in meinem Kopf keimt verborgen und heimlich auch der Gedanke: Falls ich Simon wiedersehen sollte, falls wir uns je wieder so nah kommen, dann werde ich die schönste Unterwäsche der Welt tragen.
Also fahre ich, nachdem ich Amélie mit Lilli und Lisa-Marie in den Mittagsschlaf verabschiedet habe, in die City zum Jungfernstieg. Wenig später nehme ich allen Mut zusammen und stoße die Tür des Ladens auf. »Die Perle« ist größer, als das Schaufenster vermuten lässt. Am hinteren Ende steht ein antiker Holztresen mit Registrierkasse. Der dicke schilffarbene Teppichboden dämpft meine Schritte. Weiches Licht erfüllt den Raum. An den Wänden sind Leisten angebracht, an denen auf Bügeln Dessous in allen Größen, Farben und Stilrichtungen präsentiert werden. Eine Verkäuferin ist nicht zu sehen. Ich schaue mich um und versuche mein klopfendes Herz zu beruhigen. Leise Klaviermusik tönt aus verborgenen Lautsprechern. In der Mitte des Raumes ist Wäsche auf einem Verkaufstisch angeordnet. Aber was für Wäsche! Zauberhafte Farben, wunderschöne Stoffe, üppige Stickereien, aufwendige Verarbeitung. Weit mehr als Wäsche. In Seide verwandelte Phantasien: BHs, Slips, Bustiers. Textilien, die sich unter dem Fachbegriff Lingerie zusammenfassen lassen. Genüsslich, mit dem Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, flüstere ich das für mich ungewohnte Wort und lasse es auf meiner Zunge schmelzen wie ein Praliné. Lingerie: Das klingt wie perlender Champagner, wie das Rascheln schwerer Seide, wenn man sie aneinanderreibt. Ein wenig verrucht.
Eine Verkäuferin kommt aus dem Nebenraum. Sie ist schlank, hat feuerrote, kurze Haare und sieht aus, als wäre sie früher einmal Model gewesen. Ich erstarre mit der Seide in den Händen und werfe ihr einen unsicheren Blick zu. Doch sie lächelt freundlich. »Sie finden sich zurecht? Oder brauchen Sie Hilfe?«
Ich lächele zurück und bin erstaunt, wie sicher meine Stimme klingt. »Nein, vielen Dank, ich möchte mich erst einmal umschauen.«
Sie nickt mir zu. »Dahinten können Sie auch anprobieren.« Sie deutet nach links. Mein Blick folgt ihrem Zeigefinger, und am Ende des anderen Raums entdecke ich eine Kabine. Kabine? Ein geräumiges Extra-Zimmer, dessen Tür einladend offen steht. Dort sind die Wände im Eierschalenton gehalten, der Boden ist mit einem dicken roten Teppich bedeckt. Im Ankleideraum selbst stehen ein großer Spiegel auf Rädern, mehrere Lampen, die man verstellen kann, und ein gemütlicher Sessel mit einem kleinen Tischchen davor. In dieser Umgebung traue sogar ich mich, Dessous anzuprobieren.
Die Verkäuferin lächelt mir noch einmal zu und setzt sich an die Kasse, um Hochglanzprospekte zu sortieren.
Unsere kleine Unterhaltung hat mich entspannt. Jetzt schaue ich mir die Wäsche ernsthaft an. Ich beginne mit Slips. Große und kleine, Tangas, Pantys, French Knickers, Jazzpants. Und Strings. Belgische Fabrikate, italienische und französische Mode. Winzig kleine Stoffläppchen, gehalten von zwei Schnüren. Früher hätte ich sie kopfschüttelnd links liegen lassen. Wer trägt denn so etwas? Ich nehme einen String in die Hand. Eigentlich ist er sehr hübsch. Gar nicht obszön. Im Gegenteil: champagnerfarben, seitlich mit Spitze und vorn und hinten mit einem Schleifchen verziert. So ein Wäschestück betont die Nacktheit eher, als dass sie etwas verhüllt. Außerdem gefällt mir die Vorstellung, den ahnungslosen Simon mit dieser aufregenden Kleinigkeit zu überraschen.
Was soll ich denn nun kaufen? Den schönen Tanga beispielsweise? Ich greife nach einer schwarzen Korsage und einem Paar Strümpfen und begebe mich in die Kabine. Die Tür schließt sich sanft hinter mir, und der Raum umfängt mich wie eine Muschel die Perle. Genauso fühle ich mich: wie etwas Kostbares, Zerbrechliches, Leuchtendes. In der Abgeschiedenheit des Raumes teste ich die Dessous. Der Stoff der Korsage fühlt sich auf meiner Haut glatt und weich an, aber ich wage nicht, in den großen Spiegel zu schauen. Als ich es dann tue, verschlägt es mir fast den Atem: Der Stoff liegt eng, aber angenehm
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