Kleine Schiffe
zuhause im Sommer«
W ill deine Mutter auch ein Stück Kuchen?«, fragt die Kellnerin und lächelt erst Simon, dann mich an.
Ich lasse mich auf den Stuhl neben Simon fallen. Er hat im Parkcafé Am Weiher bei einem Milchkaffee auf mich gewartet.
Simon grinst ebenso freundlich zurück. »Ich weiß nicht, was meine Mutter möchte. Meine Freundin jedenfalls kannst du selbst fragen.« Er nimmt meine Hand und zieht sie an die Lippen.
Die Kellnerin erschrickt. »Oh, Entschuldigung, ich wollte …, ich meine … äh … willst du, wollen Sie … auch ein Stück Kuchen?«
Mir tut das Mädchen leid. Amélie sitzt in ihrer Karre und kräht vergnügt. Ich nehme sie auf meinen Schoß. »Welchen Kuchen gibt es denn?«, frage ich und vermeide so, die Kellnerin zu siezen oder zu duzen.
»Apfel oder Käse.«
Ich blicke Simon an. »Was isst du?«
»Käse.«
»Ich nehme Apfel. Dann können wir tauschen.«
Simon beugt sich zu mir herüber und küsst mich. »Das sagst du jetzt, aber nachher futterst du wieder alles allein auf!«
Die Kellnerin denkt gar nicht daran, die Bestellung weiterzugeben. Stattdessen betrachtet sie unser Geturtel mit einer Mischung aus Neugier, Widerwillen und Faszination.
Simon bemerkt das und entscheidet sich für einen Kurswechsel. Er sieht mich unter seinen halb geschlossenen Lidern an und spitzt die Lippen. »Du willst dir ja nur Kondition verschaffen, damit du mich heute wieder wach halten kannst. Du Nimmersatt! « Die letzten Worte taucht er in ein so samtiges Timbre, dass völlig klar ist: Die Gier auf Kuchen meint er nicht. Er wendet seine Augen langsam von mir ab und schenkt der Kellnerin, die immer noch mit offenem Mund neben uns steht, ein breites Grinsen. »Willst du heute Abend mitmachen – oder uns doch lieber den Kuchen bringen?«
Das Mädchen flieht mit hochrotem Kopf, während Simon ein Lachen unterdrückt. Als er meinen Blick sieht, reißt er sich zusammen. »Nun schau nicht so böse, Franzi. Du machst der Kleinen Angst!«
Das ist natürlich Unsinn, denn Amélie spielt selbstvergessen mit meinem Teelöffel. Trotzdem muss ich mich zwingen, meine Stirn zu entrunzeln.
»Bist du sauer?«, fragte Simon.
»Nein, aber erstens fand ich dich ihr gegenüber nicht besonders nett. Ihr war das doch peinlich! Und zweitens … solche Äußerungen treffen mich schon.«
»Aber warum denn nur? Uns kann doch egal sein, was die denkt! Sie ist sicher nur neidisch. Wenn die hier mit einem Mann um die vierzig sitzen würde, würde übrigens keiner was sagen. Das ist ungerecht. Deswegen musste ich sie ein bisschen ärgern.« Er gibt mir noch einen Kuss. »Nein wirklich, du siehst doch nicht aus wie meine Mutter! Demnächst zeige ich dir ein Foto von ihr.«
Simons Eltern wohnen außerhalb von Hamburg auf dem Land, und ich bin froh darüber. Ich bin gern mit Simon zusammen, doch einem Treffen mit seinen Eltern fühle ich mich nicht gewachsen. Die Frage der Kellnerin hat den Altersunterschied, den wir beide in unserer Verliebtheit nach wie vor verdrängen, wieder einmal in den Vordergrund geschoben.
Ich ärgere mich über mich selbst, über meine Unsicherheit. Trotzdem frage ich: »Bin in dir wirklich nicht zu alt? Wenn man das so deutlich sieht … und es gibt doch so viele schöne Mädchen in deinem Alter.«
Simon schüttelt den Kopf. »Pfeif auf die anderen, Franzi. Wenn wir in deinem Schlafzimmer sind, bist du die Einzige.« Er nimmt mein Gesicht in seine Hände. »Du bist die, die ich will.« Dann streckt er sich behaglich und hält sein Gesicht der Sonne entgegen.
Wie wichtig das Wetter für junge Mütter ist! Vorher war Wetter einfach nur Wetter. Mal erfreulich, mal ärgerlich, aber letztlich ohne Bedeutung.
Junge Mütter sind wie Obdachlose: immer auf den Straßen, in der Stadt unterwegs. Sie sitzen auf Parkbänken, rotten sich auf Grünflächen oder vor Supermärkten zusammen. »Kilometergeld sollte man verlangen«, witzelt Lilli gern. »Spazieren gehen, einkaufen, immer mit dem Kinderwagen und immer draußen. Bei Regen oder Sonne.« »Draußen« bedeutet außer frischer Luft vor allem Kontakt zu anderen Menschen. Schöne Kontakte, denn Babys machen vielen Leute gute Laune.
Früher lief ich wie unter einer Tarnkappe durch die Straßen. Niemand sah mich an, und auch ich vermied den Blickkontakt mit Fremden. Heute lächeln mich viele Menschen auf der Straße an, sie freuen sich an Amélies Lachen, oder sie bleiben mitfühlend stehen, wenn sie plärrt. Dieses Mitgefühl gilt auch mir.
»Gar
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