Kleine Suenden zum Dessert
die Zahnarzttermine vereinbarte und nahtlos mit der Tapete verschmolz.
»Grace?« Ewan klang alarmiert. »Was ist passiert? Hat sie geschossen?«
»Nein, nein.«
Franks Kopf tauchte unter dem Rand der Kühlerhaube hervor. Er hatte den Ölkontrollstab in der Hand und winkte hektisch.
»Ich muss aufhören«, erklärte sie Ewan. »Du wirst allein fertig packen müssen.«
»Sieht so aus«, sagte Ewan mit leidender Stimme. »Bitte denk an so Sachen wie die Pässe.« Sie hätte für ihr Leben gern die Reiseschecks und die Krankenversicherungsunterlagen erwähnt, doch sie gestattete es sich nicht. Vielleicht käme er ja selbst darauf zu sprechen. Kam er natürlich nicht. Derlei würde ihm im Traum nicht einfallen. Jetzt würde sie sich den ganzen Vormittag deswegen den Kopf zerbrechen. Es gab wirklich Tage, an denen man sich nicht ausstehen konnte. »Ruf mich an, wenn‘s was Neues gibt«, bat er. Sie versprach es und drückte auf die rote Taste ihres Handys, stieß mit dem Fuß die Wagentür auf und glitt in der Erwartung, dass Frank ihr eröffnen würde, dass ihr Auto dringend Öl brauche, ins Freie. »Sie sind schon da!«, zischte Frank stattdessen. Grace sah ein rotes Fahrzeug mit Fließheck langsam die Straße heraufkommen. Die ersten Interessenten. Was sollte sie tun?
»Lotsen Sie sie irgendwie her«, wies sie Frank an. Es wäre zu riskant, sie als lebende Zielscheiben unten am Tor aussteigen zu lassen.
»Mach ich.« Schweiß glänzte auf Franks Stirn. Er zog ein weißes Taschentuch heraus und hängte es über das Ende des Ölkontrollstabs. Dann streckte er die improvisierte Signalflagge unter der Kühlerhaube hervor und winkte damit hektisch in die Richtung des roten Fließhecks. In den ersten Sekunden passierte nichts - offenbar berieten sich die Insassen des Autos doch dann bog der Wagen vorsichtig in die Zufahrt ein. Franks Gestikulieren mit der Taschentuchfahne lockte die Leute weiter, bis sie dicht hinter Graces Auto anhielten.
»Gut gemacht«, lobte Grace, und Frank errötete leicht. Sie wieselte auf Händen und Knien zu dem Fließheck und richtete sich neben dem Fahrerfenster auf. »Hi«, sagte sie.
Die beiden Insassen hatten sie nicht kommen sehen und fuhren erschrocken hoch. Grace warf einen Blick auf ihr Klemmbrett.
»Aidan und Amy, richtig?« Es war seltsam, wie oft die Vornamen von Paaren mit demselben Buchstaben begannen, dachte sie. Pat und Pauline. Lisa und Liam. Einmal hatte sie einen Francis und eine Frances gehabt. Noch seltsamer war, wie oft Leute in eine Straße zogen, deren Namen ähnlich klang wie der, aus der sie kamen. Aus der Emmet Road in die Elmer Road, zum Beispiel. Und manchmal war sogar die Hausnummer gleich. Warum fürchtete sich alle Welt so vor Veränderungen? In Grace reifte allmählich die Überzeugung heran, dass das Gewohnte nicht das große Glück bedeutete.
»Ich bin Grace Tynan«, erklärte sie den Ankömmlingen, »und ich werde Ihnen heute Franks Haus zeigen.« Sie streckte die Hand zum Fenster hinein, um die Leute zu begrüßen, doch angesichts des Winkels, den ihre Position bedingte, wurde eher ein Tätscheln daraus. »Sie fragen sich bestimmt, was hier vorgeht«, sagte sie. »Ja, schon ...«, antwortete die Frau. Es hatte keinen Sinn, sie in Panik zu versetzen, und so entschloss Grace sich zu einem Ablenkungsmanöver. »Ich schlage vor, Sie sehen sich erst mal die hier an, und wenn Sie danach Fragen haben, beantworte ich sie Ihnen gern.« Sie reichte ihnen zwei Hochglanzprospekte hinein, wobei sie unauffällig die Kopfstützen in Augenschein nahm. Sie waren mit Leder bezogen, dick gepolstert und groß genug, um Mrs Carr den Blick auf die Vordersitze zu verwehren. Sie befanden sich in relativer Sicherheit. »Ich bin gleich wieder da - oh, und bitte bleiben Sie inzwischen still sitzen, ja?«
Sie bewegte sich, wieder auf allen vieren, zu ihrem Auto zurück, wo Frank sie schon ungeduldig erwartete. »Haben Sie das Badezimmer erwähnt?«, fragte er. »Nein.«
»Sandy meinte aber, Sie sollten es tun. In den Staaten macht man das so, wenn die Angaben in einem Prospekt nicht korrekt sind.«
»Wir sind hier nicht in den Staaten.« Sie richtete sich auf und betrachtete sich kritisch. Ihr Leinenrock war total zerknittert, und ihre Strumpfhosen hatten mehrere Laufmaschen. Sie brachte ihre derangierte Erscheinung so gut es ging in Ordnung und überlegte, ob sie daran gedacht hatte, einen Lippenstift mitzunehmen.
»Was haben Sie vor?«, fragte Frank alarmiert, als sie ihre
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