Kleine Suenden zum Dessert
von ihren Gummihandschuhen zu dem verrußten Ofen und weiter zu dem Gewehr wanderten. Julia versuchte, ihre langen, weißen Haare zu ordnen, die sich teilweise aus der Spange gelöst hatten. Sie musste wie eine Irre aussehen. Normalerweise hätte dieses Image ihr nichts ausgemacht, aber heute war sie etwas empfindlich.
»Ich habe Toast verbrennen lassen«, erklärte sie zu ihrer Verteidigung.
Grace nickte verständnisvoll. »Das passiert mir ständig. Soll ich Ihnen einen Kaffee machen oder etwas anderes?« Julia war verblüfft. Seit einer Ewigkeit hatte ihr niemand mehr angeboten, ihr einen Kaffee zu machen. »Ich habe nur Pulver«, antwortete sie. Warum hatte sie nicht nein gesagt?
»Das ist doch wunderbar. Haben Sie schon etwas gegessen?«
»Nein. Ich wollte mir Bohnen machen, aber der Ringpull von der Dose riss ab.« Was faselte sie da nur?
»Das macht nichts. Wenn Sie einen Büchsenöffner haben, ist der Deckel ruckzuck ab. In welcher Schublade finde ich ihn?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, machte sie sich daran, Schubladen und Schränke zu durchforsten. Julia wusste, dass sie sie wegschicken sollte, wie sie es am Morgen bei Frank getan hatte, aber stattdessen stand sie da wie ein kleines Kind und dachte, wie schön es war, dass zur Abwechslung mal jemand anderer die Verantwortung übernahm. Wie tröstlich es war, dass sie mal nicht allein zurechtkommen musste, und wenn auch nur für fünf Minuten. »Und sorgen Sie sich nicht um den Herd«, sagte Grace munter. »Den nehme ich mir gleich anschließend vor.« Julia spürte sich zustimmend nicken. War diese Grace nicht wunderbar? Sie hatte einen großen Becher gefunden und löffelte Kaffeepulver hinein. »Wo haben Sie Zucker?«, fragte ihr guter Geist. Julia drehte sich um und deutete auf einen Schrank. Als sie sich Grace zuwandte, um ihr zu sagen, dass sie gar keinen Zucker in den Kaffee nahm, bemerkte sie, dass diese schnell noch einen zusätzlichen Löffel Kaffee in den Becher tat und sich mit der freien Hand die Flasche mit dem Putzmittel griff.
Und da dämmerte es Julia. »Sie glauben, ich bin betrunken.«
»Was? Oh, ich würde niemals ...«
»Bitte verlassen Sie mein Haus«, forderte Julia sie auf. »Mrs Carr...«
»Auf der Stelle.«
»In Ordnung. Aber das Gewehr nehme ich mit.« Sie streckte die Hand danach aus, doch Julia war schneller. Wie konnte diese Person es wagen, sich an ihrem Eigentum zu vergreifen?
»Seien Sie vernünftig, Mrs Carr. Geben Sie mir das Gewehr.«
»Kommt nicht in Frage.« Julia umklammerte es mit beiden Händen, die noch immer in Gummihandschuhen steckten.
»Ich werde Ihre Hausbesichtigungen nicht mehr stören, falls es Ihnen darum gehen sollte.«
Grace ließ sich nicht beirren. »Ich habe Angst, dass Sie sich verletzen.«
»Das ist höchst unwahrscheinlich. Das Gewehr ist seit 1974 nicht mehr geladen worden.«
»Ich bin trotzdem besorgt.«
»Ich nehme Ihre Besorgnis zur Kenntnis. Und jetzt ersuche ich Sie noch einmal, mein Haus zu verlassen. Wenn Sie es nicht tun, rufe ich die Polizei.«
Sie zuckten beide zusammen, als das Telefon an der Küchenwand läutete. Es läutete mehrmals, ehe Julia schließlich den Hörer abnahm. »Hallo?«
Es war die Polizei. Genau gesagt, Sergeant Daly. Ob sie wohl rauskommen und mit ihm reden würde? Und könnte sie bitte das Gewehr mitbringen?
Verdutzt schaute sie zu Grace Tynan hinüber. »Ich soll rauskommen und das Gewehr mitbringen«, sagte sie zu ihr, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. Mit eisiger Verachtung streckte sie Grace das Gewehr hin, mit der Mündung nach unten, wie es sich gehörte. »Da! Nehmen Sie es mit, wenn Sie das glücklich macht.« Sie würde es ihr nicht bringen. Wenn sie es haben wollte, würde sie es sich schon holen müssen.
Grace Tynan streckte ihren Arm aus und griff danach und sagte: »Ich danke Ihnen ...«
Für das, was dann passierte, gab es später verschiedene Erklärungsversuche. Grace gestand bei der Polizei, dass es durchaus möglich wäre, dass sie bei der Übernahme versehentlich den Abzug berührte, wenn sie es auch nicht für wahrscheinlich halte. Sergeant Daly neigte dazu, den Gummihandschuhen die Schuld zu geben. Er probierte im Zuge seiner Nachforschungen fünf verschiedene Fabrikate an und konnte hinterher von allen bestätigen, dass sie den Tastsinn beeinträchtigten. Julia Carr beteuerte, dass sie nicht einmal in die Nähe des Abzugs gekommen sei, ob nun mit oder ohne Gummihandschuhe. Und die Ballistiker wunderten sich, dass eine
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