Kleiner Hund und große Liebe
Lillepus, ich verstehe es. Gute Nacht, mein Kind.“
Ein Findelkind
Wir wollten versuchen, rechtzeitig zu Mittag zu Hause zu sein. Also mußten wir früh starten, wir hatten eine Strecke von etwa vierhundert Kilometer vor uns. Ich packte die Butterbrote ein, die vom Frühstück übrig waren - Mama hatte uns allzu viele mitgegeben. Vielleicht würden wir unterwegs Hunger kriegen, und außerdem ist es in unsrer Familie ein ungeschriebenes Gesetz, daß eßbare Dinge nie weggeworfen werden.
Wir hatten nichts zu trinken, also füllte ich den Wasserkanister. Das ist auch so eine Eigenheit bei Papa, etwas, das er bei seinen unzähligen weiten Bergwanderungen gelernt und praktiziert hat: „Wenn man richtig Durst hat, gibt es nichts, das besser schmeckt als reines, klares Wasser!“
Ich gebe ihm recht. Wie oft habe ich in der Schweiz oder in Norwegen bäuchlings an einem Bach gelegen und kühles, klares Wasser getrunken!
Dann schlossen wir die Fensterläden und sperrten die Tür zu. „Eigentlich ein komisches Gefühl, sein eigenes Haus abschließen zu können“, philosophierte ich, als ich den Schlüssel in die Tasche steckte.
„Es ist schön, daß wir es haben - entschuldige, ich meine, daß du es hast“, sagte Papa mit einem kleinen Lächeln.
Dann ging es heimwärts. So langsam fing ich an, diese Autobahnstrecke zu kennen!
„Papa“, sagte ich nach einer Weile. „Werden wir uns einen neuen Hund anschaffen?“
„Irgendwann, ja“, sagte Papa. „Aber jetzt noch nicht. Alles ist ja so ungewiß; wer weiß, ob wir überhaupt unsere Wohnung behalten werden. Wenn das Haus verkauft wird, ist es ja möglich, daß der neue Besitzer es als Einfamilienhaus haben will. Wir müssen zuerst ein bißchen mehr Klarheit haben, bevor wir einen Hund oder ein anderes Tier anschaffen.“
„Vorläufig könnte ich mir auch keinen anderen Hund vorstellen“, meinte ich. „Der Verlust von Barry wird noch lange weh tun, da muß etwas Zeit vergehen, es müssen neue Dinge geschehen, unsere Gedanken müssen. sie müssen.“
„In neue Bahnen gelenkt werden, meinst du? Ja, so denke ich auch. Ach, hol doch bitte meine Sonnenbrille aus dem Handschuhfach, Elainchen.“
Ich setzte auch meine eigene Sonnenbrille auf. Es war strahlend schönes Wetter, richtig warm!
„Weißt du was, wenn jetzt ein Rastplatz auftaucht, wollen wir uns die Beine ein bißchen vertreten“, meinte Papa, als wir ungefähr die halbe Strecke hinter uns hatten.
Nach einigen Minuten tauchte schon ein Schild mit der Aufschrift Rastplatz 500 Meter auf, und wir hielten an.
„Möchtest du etwas essen, Papa?“
„Eigentlich nicht. Ich will mir den Mittagsappetit nicht verderben.“ Wir wanderten ein bißchen auf und ab, Papa machte ein paar Kniebeugen. Plötzlich blieb ich stehen und horchte. Ich hatte etwas gehört.
„Papa, hör doch! Da heult ein Hund! Da war es wieder - hörst du?“
„Ja, tatsächlich! Es ist mir, als käme es aus dem Wäldchen da -es wird doch nicht etwa.“, mit ein paar langen Schritten war Papa wieder am Auto und holte den Wasserkanister heraus. Da erscholl das Geheul wieder, diesmal etwas schwächer.
„Komm schnell, Lillepus! Es kam aus dem Wäldchen, ganz bestimmt. Es kam von einem Tier in Not, so viel konnte ich hören!“
Wir rannten los in Richtung Wäldchen. Jetzt war wieder ein schwaches Heulen zu hören, aber es schien näher bei uns zu sein.
„Wo bist du denn, Hündchen - nun belle mal richtig!“ Papa hatte die gute Stimme, auf die alle Tiere horchen.
Wir gingen tiefer zwischen die Bäume, durch Brennesseln und Gestrüpp.
„Papa! Da! Guck, da links!“
Ja, da stand er. Oder vielmehr, er lag und strampelte verzweifelt, halb erstickt durch eine Wäscheleine, mit der er an einem Baum angebunden war. Er hatte sich restlos in der Leine verwickelt, war anscheinend mehrmals um den Baum gelaufen, dann war die Leine unter einen Stein gerutscht und hatte sich festgeklemmt.
Papa zog sein Taschenmesser hervor, schnitt die Leine durch und half dem armen Tier auf die Beine. Es hechelte und schien vollkommen erschöpft zu sein.
„Halt deine Hände zusammen, Elaine, so daß der Hund trinken kann!“
Ich hielt meine Hände dicht zusammen, wie ich es oft getan hatte, wenn ich an einem Bach kein Trinkgefäß hatte. Papa goß Wasser hinein, und der Hund trank gierig. Dann tauschten wir. Papas Hände faßten mehr, und der Hund trank und trank. Dreimal mußte ich die lebendige Schale füllen.
Jetzt sahen wir uns das Tier genauer an.
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