Kleiner Hund und große Liebe
wurden voll.
Dann war wieder Pause. Noch einmal mußte ich mir den richtigen Anfang ausdenken. Na, nichts wie los, mit einem Kopfsprung!
„Und nun, paß mal auf: Kurz nachdem wir uns hier fürs Dauerwohnen eingerichtet hatten, bekamen wir ein neues
Familienmitglied. Eine ganz reizende, achtzehnjährige Haustochter - aus Lübeck! Wie es kam, daß sie bei uns landete, erzähle ich gelegentlich - hoffentlich werde ich es mündlich tun können! Also, sie ist bildhübsch, lieb und intelligent. Sie ist Jüdin, beinahe ihre ganze Familie ist ausgerottet worden, sie war furchtbar einsam und hatte in Lübeck so viel Schweres durchgemacht, daß es ratsam war, für ein paar Monate fortzuziehen.
Nun, ahnst Du was? Ja, es stimmt: Ich spreche von Miriam. Von Deinem Schützling Miriam, die so voll Dankbarkeit Dir gegenüber ist. Sie behauptet, Du hast sozusagen ihr Leben gerettet!
Heute hat sie uns verlassen. Und warum - ja, hol mal tief Luft, jetzt kommt ein ganzer Roman, so unwahrscheinlich, wie nur die Wirklichkeit sein kann! “
Der Bogen war voll. Ich mußte bestimmt noch mehr Briefmarken klauen! Aber jetzt, da ich so gut im Fluß war, wollte ich alles erzählen.
Das tat ich auch, und noch ein Bogen von Papas Luftpostpapier wurde gefüllt.
Endlich rief Mama mich zum Abendbrot.
Nachher las ich alles noch einmal durch. Ja, es war gut so. Es fehlte nur noch der Schluß.
„Ja, da hast Du die ganze Geschichte. Ist sie nicht unfaßbar? Wir alle freuen uns so sehr für Miriam, und das letzte, was sie mir sagte, bevor sie mit ihrem Daniel wegfuhr, waren die Worte: ,lch bin ja so glücklich. ’
Und wenn ich daran denke, was aus ihr geworden wäre, falls sie Dich nicht kennengelernt hätte!
Bist Du nicht froh, daß Du einem Menschen im Grunde das Leben gerettet hast?
Und jetzt muß ich wirklich Schluß machen. Wann wirst Du wohl zurück nach Deutschland kommen? Wir alle hoffen sehr, daß Du uns besuchst! Meine Eltern, Marcus, Anton, Bisken - den Du kaum wiedererkennen wirst, er ist groß und frech, verwöhnt und allerliebst und die Hauptperson des Hauses - und am meisten freut sich dann vielleicht
Elaine “
Ich las den Brief genau durch, versiegelte ihn, und schrieb nur Ingos Namen darauf. Dann holte ich einen Bogen von meinem feinen Briefpapier und schrieb mit Schönschrift: „Sehr geehrte Frau Moorhof!
Ich habe einen netten Kartengruß von Ingo und wollte ihm so gern ein bißchen von uns und natürlich von Bisken erzählen, aber ich habe seine Adresse nicht. Falls Sie sie haben, dürfte ich Sie dann bitten, sie auf den beigefügten Brief zu schreiben und ihn einzustecken? Ich habe den Brief abgewogen und richtig frankiert. Ich danke Ihnen im voraus herzlich Jur Ihre Mühe.
Grüßen Sie bitte die liebe Cora. Wir, denken oft an sie, sie ist ein so niedliches Hündchen. Ihr Sohn wächst und gedeiht, er sieht urkomisch aus, und wir lieben ihn alle sehr.
Mit den besten Grüßen,
Ihre Elaine Grather“
Papa braucht ein Scriptgirl
Als ich am folgenden Tag aus der Schule kam, stand Papas Wagen vor der Tür. Er war vormittags angekommen und hatte schon die ganze Geschichte über Miriam und ihre Familie von Mama gehört.
„Es ist ja unfaßbar!“ sagte er. „Ich freue mich sehr für das nette Mädchen. Na, darüber sprechen wir später, jetzt habe ich andere Dinge im Kopf. Wie ist es, Elaine, fangen die Herbstferien nicht dieses Wochenende an?“
„Und ob sie anfangen!“ sagte ich. „Ich werde in den Ferien reiten, und ich werde meine Werkstatt in Ordnung bringen, und ich werde.“
„Gar nichts von alledem wirst du! Du wirst für deinen armen, geplagten Vater arbeiten. Ja, ich brauche ein Scriptgirl. Du mußt am Samstag mit nach Kreta fliegen!“
„Was muß ich?“
„Nach Kreta fliegen, sagte ich! Ich muß eine Arbeit für einen Kollegen übernehmen, der Kerl hat sich einen Arm gebrochen. Und die Flugkarten sind bestellt, Hotelzimmer auch, und Sondergenehmigungen fürs Filmen in Museen und anderen heiligen Stätten sind da - also, wir müssen los!“
„Ja, aber kannst du denn nicht sein Scriptgirl übernehmen?“
„I wo, das Scriptgirl ist seine Schwester, und sie muß sich jetzt um das arme Brüderchen kümmern. Also, Elaine, kommst du mit?“ „Das ist doch klar! Es ist einfach Klasse, Papa! Aber ich habe ja nur eine Woche Ferien! Wirst du so schnell fertig werden?“
„Ich hoffe! Es hängt vom Wetter ab. Wenn nicht, stopfe ich dich in ein Flugzeug und bleibe selbst noch ein paar Tage ohne
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