Kleiner Musicalratgeber für Anfänger und Fortge
hat?
Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht alles wollte. Also waren die vier Tage in London gut verplant: »Phantom of the Opera«, das unvergleichliche und immer sehr gut ausgelastete Original im Her Majesty’s am Haymarket hatte ich natürlich schon von zu Hause aus gebucht, denn die Gefahr, vor einem »House full« oder alternativ »Tonight’s performance sold out«-Schild zu stehen, wäre mir sonst zu groß gewesen. »Billy Elliot« wollte ich schon bei einem vorherigen Besuch sehen, blöderweise hatte ich damals schlecht geplant und keine Karten mehr bekommen. Der Fehler sollte mir nicht noch einmal passieren, und als dann ein »2 für 1«-Kartenangebot in meine Mailbox flatterte, schlug ich sofort zu. Ein Halbpreis- oder Dayseat-Ansteher bin ich ohnehin nicht. Das machte meinen London-Aufenthalt zwar etwas teurer als jener der risikofreudigeren Musicalfans, aber dafür wusste ich im Vorfeld schon, auf was ich mich von welchen Plätzen aus freuen konnte. Obendrein hatte ich so auch noch Zeit zum obligatorischen Sightseeing und zum Schaufensterbummel auf der Oxford Street. Zum richtigen, extensiven Power-Shopping reichte mein Geld leider nicht mehr, aber ein Blick auf die sorgsam sortierten Karten in meiner Handtasche zeigte mir auch, wieso. Vorfreudig lächelnd betrachtete ich die vielen bunten Tickets und es gelang mir nicht so wirklich traurig zu sein angesichts der sonstigen Ebbe im Portmonee.
Neben den oben aufgeführten Stücken hatte ich mich dann noch dazu entschieden, »Les Misérables« einen Besuch abzustatten – die 15 Pfund pro Karte sprachen für sich. Ich war schon gespannt, wo ich zu diesem Preis sitzen würde und wie weit »up« sich eigentlich der Upper Circle im Queen’s Theatre befand. Glücklicherweise hatte man von dort oben einen guten und noch relativ nahen Blick auf die Bühne, auch wenn man einen kleinen Teil des Geschehens nicht sehen konnte. Aber für 15 Pfund konnte man dieses Opfer gut bringen. Nach so viel Klassik und Schwermut rundete dann noch das durchgeknallt- bunte, von bekannten Disco-Tunes unterlegte »Priscilla-Queen of the Desert« mein London-Programm ab. Insgesamt also ein toller Trip mit fantastischem Programm!
Das Einzige, was mich rückblickend im Großen und Ganzen gestört hat, war das Chipstütengeraschel im Theater. Außerdem kann ich mich nicht so recht daran gewöhnen, dass kaum dass der erste Akt vorüber ist, die Türen des Auditoriums aufgerissen werden und laute »Vanille, Schokolade, Erdbeer«-Rufe davon künden, dass man jetzt seinen Blutzuckerspiegel mit köstlicher Eiscreme in die Höhe treiben kann. Ebenso merkwürdig finde ich den Theatertypen, der um Verpackungsreste bittend mit der Mülltüte in der Hand die Gänge im Parkett patrouilliert. Ich weiß ja leider schon, dass der Theaterraum hinterher sowieso aussehen wird wie eine Müllhalde, weil wirklich kaum jemand seinen Müll in den dafür vorgesehen Beutel wirft, geschweige denn ihn wieder mitnimmt!
Aber abgesehen davon vermisste ich es überhaupt nicht, nicht in einem deutschen Theater zu sein. Jedes Londoner Theater in dem ich bisher war, hatte seinen ganz eigenen Charme, jedes einzelne war ein Haus mit Tradition. Gut, den Geist von William Terriss, einem Darsteller, der 1897 ermordet wurde und einer Legende nach im Adelphi-Theater spuken soll, habe ich jetzt (zum Glück!!!) nicht persönlich gesehen, aber ich finde, dass solche Geschichten der Atmosphäre keinen Abbruch tun, ganz im Gegenteil. 13
Weiterempfehlen würde ich dringend »Phantom of the Opera« und »Les Misérables«. Was sollte mir jetzt auch Schlechtes zu diesen Klassikern einfallen? Diese Stücke im Londoner Westend zu sehen ist einfach ein Muss für jeden Musicalfan und ein einzigartiges Erlebnis! Auch »Priscilla« hat mir in jeder Hinsicht super gefallen. Die ganze Zeit über konnte ich mich kaum in meinem Sitz halten und es gab keinen Song, den ich nicht sofort erkannt hätte. Aber Himmel, war das deprimierend, zu sehen, wie toll diese Männer allesamt in Frauenklamotten aussahen! Und wie die erst auf diesen Schuhen laufen konnten! Ich selbst hätte mir schon mit halb so hohen Hacken die Haxen gebrochen, und die konnten darauf sogar tanzen. Bemerkens- und beneidenswert!
Lediglich »Billy Elliot« blieb hinter meinen – zugegebenermaßen hohen – Erwartungen zurück. Nicht nur hatte ich trotz meiner hervorragenden Englischkenntnisse kaum etwas des durchweg gesprochenen Arbeiter-Slangs verstanden; auch von den Liedern
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