Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
Vom Netzwerk:
Golfspieler, Fechter, Jiujitsu Jiujitsukundig. Außerordentlich wie Tribius ist seine Mutter, die ihn mit 18 Jahren geboren hat als dritte Gattin eines rüstigen Greises u. berühmten Agronomieprofessors, den sie unter Zwang aus protestantischem Pflichtgefühl geheiratet hat. Ausserordentlich ist auch Hilde, die Generalstochter, die * Freud liest – ( * Auernheimer nimt das Freu Freudstudium der Gesellschaft komisch, Schaffner bitter ernst! Übrigens Datum sch schon erst 1894 , frühzeitig!) – salon-geistreich u. unbefriedigt ist, dazu bildschön u. elegant Liebe u. Verlöbnis Hilde – Tribius; da tritt der düsterste, hintertreppigste eigentliche Romanheld auf, der baltische Adlige Erich Holsten, ein bißchen * byronisch 2 auf neu gearbeitet, gerissen, verbrecherisch u. doch ödel, Cyniker, Philosoph, Schmuck- u. Frauenkenner, Abenteurer u. Philosoph u. auch Falschspieler, wenn es sein muß. Es muß sein, denn zu Haus hungert eine gutmütige Person mit verschiedenen Kindern von ihm, auf Hypnose versteht er sich auch. Jetzt gilt seine Liebe sofort Mutter u. Sohn Tribius. Er ist 36, Frau T. Anfang 40. Er fühlt, daß er Eindruck auf Hilde macht, er ist Hildes halber eifersüchtig, will Tribius für sich allein, warnt ihn vor der Ehe mit H. Zwingt H. in Hypnose zur momentanen Rückgabe des Verlobungsringes, beleidigt Hilde. Muß sich mit Tribius schlagen u. schiesst ihn vorsichtig in die Schulter. Bricht aber auch in Hildes Zimmer ein, raubt ihren Schmuck. Zeigen Sie mich an, wenn Sie wollen, schießen Sie auf mich, wenn Sie wollen! Er weiß, sie wird nicht wollen. Aber Rechnung bekomt wird von andrer Seite durchstrichen: leidenschaftlichste Liebe zwischen ihm u. Mutter Tribius, die ein Kind von ihm erwartet. Allgemeine Gefühlsverwirrung. Frau Tribius –, aus protestantischem Gewissen, aus Eifersucht, aus beidem?? – macht Anzeige bei der Staatsanwaltschaft; Holsten erhängt sich im Untersuchungsgefängnis, nachdem er seine noch rasch legitimierten baltischen Kinder an Hilde empfohlen; Hilde in Gewissensnot – sich untreu fühlend – scheut vor der Ehe zurück; Frau T. windet sich in mannigfachen Gewissensqualen bringt einen Sohn zur Welt, den der vereinsamte Tribius betreut, Hilde arbeiter sechs Jahre als Leiterin eines nicht näher bezeichneten Hauses in Deutschsüdwest. Worauf sie, gereift – entsühnt? wovon? – ihren Professor heiratet. Der nun doch nicht vergeblich auf das Wunderbare gewartet hat. –
    Wie gesagt: die Psychologie der Geschichte ist mir dunkel, das vielfältige allzugeistreiche philosophisch-religiöse Gerede der Personen auch. Das immer wieder auftauchende Thema ist: Protestantismus – dazu ist man nämlich protestantisch, um immer ein schlechtes Gewissen zu haben, auch wenn man keins zu haben glaubt 285 –, Religion u. Gottglaube aus Naturschönheit geschöpft (ganz u. gar nicht stichhaltiger Aesthetizismus!), gefühlsmäßig bekämpfter u. überwundener Pessimismus.
    Aber all dies Philosophieren, Moralisieren u. Landschaftsmalen verbrämt bloß den Hintertreppenroman; wirklich: ein Schuster aus Demutt schreibt über feine Leute u. macht in aktueller u. modischer Bildung u. Philosophie.
    Das befestigt mich wieder in meiner Skepsis gegen naive Volksdichtung. Aber wieso hat * Schaffner den Schweizerischen Schillerpreis, wieso all die rühmenden Kritiken erhalten? Der Johannes erschien doch erst spät. Ist das Wunderbare eine vereinzelte Entgleisung? Er war 47 Jahre alt, als er es publizierte. Das ist doch gravierend.
    Für mein Thema finde ich eigentlich gar nichts in dem peinlichen Buch. Ein Toast auf Volkstum u. Heimat, eine leicht antisemitische Bemerkung, aber betont von verwendet zur Charakterisierung unsympathischer, engstirniger Gesellschaft. Interessant höchstens eine Bleistiftnotiz meines Exemplars aus der Leihbibliothek. Tribius doziert: Die Liebe hat das Alte Testament schon gepredigt. (80). Dazu gesetzt ist mit Bleistift: ? Nein, den Haß! So wirkt eben die Predigt des abgrundtiefen.
    Nachm. Um 1 h kam kleiner Alarm; er wurde nach 20 Minuten (sans caveau 1 ) abgeblasen. – Gleichzeitig mit dem Alarm erschien * Katz zu Besuch bei dem kranken * Cohn. Nachher ein Weilchen bei uns, sagte er, nach dem gestrigen Heeresbericht, u. mehr noch nach der heutigen Ausgabe des Freiheitskampfes, habe der aufeinander abgestimmte neue Großangriff im Westen (bei Metz mit Ziel Frankfurt) u. auf der gesamten Ostfront begonnen.
    Nach der Beendigung der peinlichen Schaffnernotiz ging ich

Weitere Kostenlose Bücher