Klemperer, Viktor
Donnerstag zu Freitag gestern nur Voralarm im Radio, keine Sirene. Die erste Tagpause seit langem. – * Wolfgang Hoffmann-Harnisch. 1 Manitus Welt versinkt . Rothaut u. Bleichgesicht wie sie wirklich waren. Roman aus Amerikas Frühgeschichte. Drei Masken Verlag A. G. Berlin Copyright 1935.
Das Buch enttäuscht, in jeder Hinsicht nicht Fisch u. nicht Fleisch. Eine populär-wissenschaftl. Einleitung, entsprechende Anmerkungen (ohne gründliche Bibliographie); ein Romancorpus, der nicht Roman, auch nicht vie romancée 2 ist, sich vielmehr in lose Einzelscenen auflöst, die freilich an sich gut sind, einigemale sehr gut, aber als Ganzes kalt lassen u. keine Klarheit u. kein Gesamtbild geben. Dreierlei will Verf. darstellen: 1) die Vita * Daniel Boones, 2) die Indianer 3) den Freiheitskampf u. die Ausdehnung der Amerikaner, wobei dies dritte wieder in drei Teile zerfällt: a) Amerikaner % Engländer b) Amerikaner :/: Indianer c) die Grenze oder Pioniere[] (denen das Walt Whitman-Motto des Bandes gilt, u. als deren bedeutendster Boone gedacht ist[)] oder auch: a) Unabhängigkeitskrieg, b) Kentucky. – Man verliert Boone immer wieder aus den Augen, man erfaßt weder das Besondere seiner historischen Bedeutung, noch seinen Charakter. Er ist zahlreicher Familienvater, er soll gütig u from sein, auch Freund der Indianer, nicht ihr Mörder. Er läßt die Familie immer wieder im Stich, er zieht immer wieder auf Abenteuer, sucht ein neues Panorama. Nicht weil ihn der Regierungscomissar vertreibt, nicht weil er Forscher sein will – sondern aus purem Wandertrieb. Man sieht nicht, daß gerade er Kentucky erschließt. Er ist nicht der erste dort, er ist niemals der einzige dort. Man sieht nicht die besondere Freundschaft zwischen den Indianern u. ihm. Ein paarmal ist er von ihnen verfolgt, gefangen, bedrängt – auch komt es ihm nicht darauf an, sie seinerseits zu betrügen. – Immer wieder verliert sich seine Geschichte in der allgemeinen Darstellung des Kampfes um die Erschließung Kentuckys. Und diese Pioniergeschichte widerum verliert sich in, verwirrt sich mit der Geschichte des großen Unabhängigkeitskampfes, aus dem man nur einzelne Scenen vorgesetzt bekommt – derart vereinzelte, daß man ohne allgemeine u. auch recht spezielle Geschichtskenntnis vollkomen im Dunkeln tappt. – Die größte Schwäche u. zugleich der größte Ruhm des Buches ist bei alledem seine Unparteilichkeit. Es tritt für die entrechteten u. verfolgten Indianer ein, malt ihre guten Seiten – zeigt aber auch ihre maßlose Grausamkeit. Es zeigt die fürchterliche Grausamkeit, die maßlose Gewalttätigkeit u. Raubsucht der Grenzer – nur * Boone ist menschlich –, und verherrlicht sie doch als Helden u. Pioniere. Es sympathisiert mit den USA-Kolonieen, mit * Washington u. * Franklin, 3 u. zeigt doch ihre stark wirtschaftlichen Gesichtspunkte, zeichnet sie eigentlich nicht idealer als das Mutterland .. Am wenigsten Sympathie wird England entgegengebracht, aber der Gouverneur * Lord Dunmore 4 ist immerhin als tüchtiger Mann u. anständiger Aristokrat geschildert, u. in dem allerbesten Kapitel Skalpdebatte im Oberhaus, einem * Eulenbergschen Schattenbild, ganz für sich bestehend, wie denn auch nur in diesem einzigen Capitel der Schauplatz London u. nicht Amerika ist – in diesem Abschnitt ist weder der alte * Pitt, 5 jetzt Lord Chatham u. Oppositionsführer, noch der Premier ( * Lord Suffolk 6 ) noch König * Georg III 7 ganz schwarz oder ganz satirisch gezeichnet, sondern alle besitzen eine anständige Mischung aus Menschlichkeit u. Unmenschlichkeit. Ka – Merkt man dem Buch die Zeit seiner Entstehung im 3. Reich an? Nein u. ja. Nein , denn es ist durchaus unparteiisch. (Zwei, mal dreimal ausfällig gegen England: sie verwenden skalpierende Indianer gegen ihre Kolonisten u. werfen uns Grausamkeit im Weltkrieg vor! Und, vorletzte Anmerkung: sie haben 1920 einen canad. Indianer dekoriert, weil er deutsche Skalpe heimgebracht hat (Zeitungsnachricht, deren Original im * Karl May Museum in Radebeul liegt! Und: noch in den 60er Jahren hat das Territorium Idduha gesetzlich Indianerjagden veranstaltet, u. Skalppreise festgesetzt. Aber diese Ausfälle sind nur durch den 1. Weltkrieg verursacht). Nein , denn es ist milde in der Rassenfrage. Es hat nichts gegen weiße Indianer einzuwenden, berichtet auch sehr neutral, wie ein weißer Indianer zu seinen weißen Amerikanern hinüberwechselt, um dann doch wieder rot zu werden. Nein , denn es rühmt die
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