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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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ungemeine Anpassungsfähigkeit der Franzosen 30, sie sind mit den Indianern wahrhaft befreundet, vermischen sich mit ihnen. Nein , denn es spricht ohne betonten Antisemitismus vom Puritanertum der Grenzer, die es doch als Pioniere u. Helden schildert. (Bedenke hierbei, daß Grausamkeit – genannt Härte u. Fanatismus – dem Natsoc. mindestens lieber ist als Weichheit): Man selber war natürlich das auserwählte Volk, das nur im Namen Gottes u. zu seinem höheren Lob mordete .. Das alte Testament u. besonders das Buch Josua wurde ihm Bibel u. Felddienstordnung. 27 Ihm d.h. dem Grenzer. Auch die alttestamentarischen Namen der Grenzer werden ohne Spott hervorgehoben. Einer von * Boones Söhnen heißt Israel, Boones Frau: Rebekka. Und noch einmal: in den Grenzern sieht der Verf. die eigentlichen Väter Amerikas. – Ja , denn der Autor bedient sich in seinem sonst ungezwungen u. neutral sprechenden Erzählen einer Reihe spezifischer Ausdrücke der LTI, sie sind ihm offenbar angeflogen. Er sagt Männer für Soldaten oder Leute, meckern für widersprechen oder höhnisch kritisieren, stur, kämpferisch, er sagt für Beispiel geben: vorleben (396), charakterlich . – Sehr merkwürdig ist ein Druckfehler. Die Indianer, um ihren Stoizismus zu erweisen, bringen sich lange Schnitte an der Brust bei; das sei schmerzhafter u. heroischer als die Schmisse der Corps studenten. Sic 169 . Weiß der Verf. gar nicht was ein Chor student ist? Der ungebildete Berliner sprach von Armee chören ! (Ich müßte doch einmal feststellen, was der * Autor für ein Mann ist. Denn ohne Können ist er nicht . – –
    Während ich diese Notiz schrieb, kleiner Alarm 12 30 –12 50 .
     

 
    Sonntag 19 30 7/Januar 45
     
    Den ganzen Tag zuhause, * Eva auch. Gelesen ( * Bouhler) u. vorgelesen ( * Schaffner). Einzige Unterbrechung * Steinitz, der gestern Nachm. u. heute Vormittag (vom Haaarschnitt kommend) bei uns war. Sein Aufsatz: My seventieth birthday – in der Nacht ist mir mein neues Thema eingefallen, erzählte er neulich stolz. Er ist so glücklich darüber, wie ich über meinen * Montesquieu war. Und vielleicht habe ich gar kein Recht, ein bißchen mitleidig auf ihn herabzusehen, vielleicht sind meine Aufzeichnungen auch nicht mehr wert. St. betrachtet seine Schreiberei gleichzeitig als englische Sprachübung u. als wirkliches Autorentum. Und er hat ja recht: sie ist Zeitdokument. Warum erscheint sie mir in ihrer Naivität unwichtiger als mein Notieren? – Er berichtet also, wie man etwa in einem Brief berichten würde von seinem Geburtstag. Er habe ihn so gern erleben wollen, u. in Bombengefahr u. as a German Jew sei es doch fraglich gewesen, ob .. Das beste an diesem Tage danke er seinem dear wife, 1 dem er auch diese Blätter widme; denn ohne sie wäre er ja längst in Theresienstadt oder in Polen u. wahrscheinlich längst tot. Und dann habe sie auch von langer Hand her Vorräte aufgespeichert, so daß man zu essen u. auch zur Bewirtung etwas gehabt habe. Und 8 Cigarren habe sie ihm geschenkt. Und die 14 Gäste hätten auch Lebensmittel gebracht u. einer sogar eine Flasche Rheinwein. Und immer wieder: so war es, dank Gottes Hilfe, doch a nice day, wirklich a nice day. Und wenn alles in Frieden u. beim Alten geblieben wäre, hätte er noch seinen Geschäftsposten gehabt, u. sein Chef, der Aussiger Kohlenfürst u. -jude, jetzt in USA, hätte ihm gratuliert u. ihn noch 5 Jahre mindestens im Amt gelassen, u. sein Chef solle dies Erinnungssblatt hoffentlich auch einmal lesen .... Ich beneide Steinitz um seine Ruhe, seine Zufriedenheit mit sich, seine Lebenszuversicht, seine Gläubigkeit. Alles das fehlt mir. – Im übrigen lerne ich von ihm immer wieder ein bißchen Englisch. Ich möchte so gern tiefer ins Englische tauchen, das mich jetzt von allen Seiten umspielt; aber vor mir stehen eigene Aufgaben – wirklich wichtigere u. wirklich ergebnisreichere, als die sich Steinitz stellt? Das ist keine kokette Frage, sondern sehr ernsthaft gemeint – u. hinter mir steht die Angina pectoris mit ihrer täglichen Mahnung. –
    Ich notierte neulich, wie * Colin Roß die USA-Häuser für uneheliche Kinder, die zu Adoptivkindern werden, rühmend beschreibt. Die Dresdener Ztg. vom 4/I. druckt eine Notiz aus Stockholms Tidningen 2 ab über Kinderhandel[] in USA. An der restlos von Juden beherrschten Schwarzen Börse der USA verkauften sogenannte Babymakler außerehelich geborene Babies für durchschnittlich 2 000 Dollar je Stück .. mit gutem Gewinn.

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