Klemperer, Viktor
tschechische u. jüdische Weiblichkeit ist etwas drastischer behandelt als die deutsche – Lida schenkt ihm ein Praeservativ, die ungebildete, von ihrem Mann vernachlässigte Jüdin macht starke Avancen – aber auch deutscherseits geht es hoch her. – – Dieser ganze Teil, dem Autor die Hauptsache, widert mich an.
Mit dem ungleich größeren * Schaffner vergleichen. * Hebel lesen!
Sonntag Abend 21. Januar 45
* E. kam recht deprimiert von * Annemarie zurück: ein toter Mensch. Das war schon mein Eindruck, als ich in den ersten Kriegsjahren noch nach Pirna herauskam. Sie steht allem stumpf gegenüber. Im übrigen gegen uns freundschaftlich, hilft mit Geld, mit Ms.-Aufbewahrung. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß sie an der Affaire * Dressel entzwei gegangen ist.
Am Nachm. waren * * Eisenmanns unsere Gäste – nur Mutter u. Sohn, der * Vater war zu erschöpft vom Sonntagseinsatz. Herbert E. ist der Meinung, daß die deutsche Ostfront vollkomen zusamengebrochen u. in Déroute 1 sei. Andrerseits nimmt er an, daß die Russen nun bald Athempause nötig haben u. in der Zwischenzeit die Deutschen irgendwelche neue Truppen aus dem Reich heranführen werden. An den unmittelbaren uno tenore-Marsch 2 nach Berlin glaubt er nicht; immerhin, den endgiltigen Todesstoß hält er für erfolgt. – –
Am Vormittag, nach der Haarschur, war * Steinitz eine Weile bei uns. Der Kriegslage gegenüber stumpf u. fast interesselos. – Über alledem kam ich kaum zu eigener Lektüre; eine Reich-Nummer erwies sich als fast inhaltlos – ich kann * Goebbels[ ] ewige Dasselbigkeiten nicht mehr lesen, sie widerstehen mir. Zu nennen ist höchstens eine stark gegenständlich, mir zu landschafternd, schildernde Kriegsskizze Auf dem Wege (keine Novelle, auch kein centrales Begebnis) aus dem Wermutstrauch von * H. G. Rexroth. 3 R. ist als Kriegsberichter in Italien gefallen, sein (neulich einmal rühmend angezeigtes) Buch schildert den Feldzug in Rußland.
Montag Abend 20h. 22/I. 45
Bisher gegen alle Üblichkeit der Wochenanfänge kein Alarm. Ich unterrichtete * B. St., ich las viel in * Colin Roß Meer der Entscheidungen. Das höchst interessante Buch ist vom Sommer 1924 datiert; da gibt es für R. in USA noch keine Juden, u. in der Rassenfrage ist er mehr als vorsichtig. Vielleicht haben den Negern gegenüber die Südstaaten recht, vielleicht die Nordstaaten. Und den Japanern geschieht ganz offenbar unrecht. Immerhin, USA muß sich rassenmäßig schützen, der Schmelztiegel verträgt kein anderfarbiges Blut, verträgt schon Ost- u. Südeuropa schlecht. Aber Juden gibt es nicht, das Wort fehlt. –
LTI Der Heeresbericht gibt alle paar Wochen ein neu Formuliertes von sich, das dann monatelang abgedroschen wird, um nachher zu verschwinden. Requiescunt 4 Blitzkrieg, Schlacht im Atlantic; die Schwerpunkte u. Schwerpunktverlagerungen sind noch vorhanden, aber schon ein bißchen abgegriffen. Das aktuellste ist jetzt der aus der Tiefe genährte Angriff. Weihnachten nährten wir im Elsaß, jetzt nähren die Sowjets an der ganzen Ostfront.
* Eva, Nachmittags bei * Frau Paul zu Gast, erfrischt u. reich beschenkt zurück (Rotkohl, Streichhölzer, Rasierseife!) brachte den heutigen Heeresbericht mit, * Frau Stühler gab uns den Commentar dazu in der Dr. Ztg. zu lesen. Danach steht es im Osten fraglos verzweifelt, die Russen sind in Oberschlesien eingedrungen, sie sind über Kempen hinaus vielleicht noch 50 km von Breslau entfernt, sie drücken gegen Königsberg – u. für die deutsche operative Gegenwirkung sei Zeit u. Raum noch nicht gekommen. Trotzdem: ich bin ohne Optimismus. Was E. heute früh formulierte, gilt auch jetzt noch: Todesstoß – ja; aber wie lange die Agonie dauert, ist unabsehbar. An den ungehemmten Marsch nach Berlin glaube ich so wenig wie an inneren Zusammenbruch.
Frau Paul zeigte E. drei beim letzten Bombenangriff abgeworfene Flugblätter, die ein Freund in seinem Garten gefunden hatte (u. die bei höchster Strafe abzuliefern, nicht weiterzuverbreiten sind!) 1) eine geheime Abstimmung über verschiedene Fragen unter 700 000 Gefangenen in USA. (Glauben Sie an den Sieg Deutschlands?, u. anderes.[)] Auf eine nazistische Stimme kamen im Durchschnitt 9 antinazistische. 2) Die Bilder * Himmlers (nicht * Hitlers!) u. * Eisenhowers, H. höchst unsympathisch gezeichnet u. als Kriegsverlängerer erklärt. 3) Verhaltungsmaßregeln bei Invasion: Versteckt euch u. entzieht euch der Evakuierung .. Meldet, wo sich
Weitere Kostenlose Bücher