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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Soldaten versteckt halten. Macht eure Bekannten darauf aufmerksam, wieviel unnützes Blut beim Weiterkämpfen vergossen wird ... (Ich halte es für verkehrt, zum Verrat der Soldaten aufzufordern. Es geht gegen das Ehrgefühl u. flößt Mißtrauen gegen alle andern Ratschläge ein). –
    Seit heute gibt es nur noch Personenzüge, keine D- u. Eilzüge mehr. – Von morgen ab weitgehende Gassperre; offen nur noch 6–8, 11–13, 18–20.
     

 
    Dienstag Nachm. 23. Januar 45.
     
    * Arnold Ulitz: Eroberer, Roman 1934. Keil Verlag Berlin
    Der alte Lukas Brant hat für die holländische Kunst wenig übrig; er hält sich in seiner Galerie an die absolute Schönheit der Italiener; vor ihnen fühlt er die Nichtigkeit seines Wirkens, und grade hierin liegt die Erlösung. Sie dienen nur der Schönheit, u. siehe, es ist genug. Er selber dient dem Gelde oder der Macht, u. es ist nicht genug; die Freude fehlt. 210. – –
    * Jan Brant, der Sohn denkt, als ihm der Statthalter im Namen Hollands zur Forschungsreise Glück wünscht: Was können wir denn anders sein als Holland, wir Holländer? Hineingeboren sind wir, holländisch leben u. sterben wir .. Holland ist viel: Hohes u. Erbärmliches, Opfermut u. Schmierigkeit, Gutes u. Böses. Wem also diene ich? Ganz Holland? Diene ich überhaupt? Ich bin getrieben u. folge selig. Möge das, was mich treibt, der Segelwind Gottes sein! – 311
    Der Statthalter Jan de Witt, 5 die Volksstimmung ausnutzend und schürend, um zum Kriege gegen England zu komen – wahres Motiv: Die Navigationsakte * Crom[w]ells: ostindische Waren dürfen nur auf englischen Schiffen nach England, aber damit führt man keinen Krieg; jetzt aber ist in Smeerenburg 1 die holländische Fahne geschändet, die holl. Ehre engagiert: Wir haben den Triumph, einen heiligen Krieg zu führen, u. hätten natürlich auch den unheiligen führen müssen. 215 – –
    In diesen drei Sätzen liegt Ulitz Stellung zur eigenen Gegenwart 1933/4, liegt das Wichtige des Buches für LTI. Was heißt Patriot sein sein? Man steht Gott gegenüber und seinem eigenen Trieb u. Muß! Was heißt ein heiliger Krieg? Es geht um Wirtschaft u. Macht – da haben beide Teile recht u. unrecht. Wieso, wieweit ist vox populi: vox Dei? 2 Unsinn ist sie! Nichtig entstanden oder schlau gelenkt! – Und nicht nur Jan Brant, der Held ist Idealist jenseits des Patriotismus. Der Vater, ein Kaufmann, nur holländischer Staatsmann u. Machtsucher, starr für die notwendige Fortführung des Kriegs eintretend, während der Statthalter Jan de Witt Frieden schließt (so starr, daß er um seiner Meinung willen auf die sonst erhältliche Freilassung seines gefangenen Sohnes verzichtet) – der alte Lukas B. ist von allem Geld u. aller Macht u. allem Politisieren unbefriedigt: nur die reine Schönheit seiner Italiener hat Wert.
    Aber das alles bleibt die längste Zeit am Rande des * Romans, wird überspielt von ihm. Man ist ein bisschen erstaunt u. nicht völlig im Bilde u. abgekühlt, wenn es hervortritt, u. wenn sich gegen den Schluß hin diese Dinge stärker abzeichnen weiß man kaum, wie sie hierhin gehören. Das ist ein Fehler der Erzählung. Sie selber ist rein balladisches Epos eines außergewöhnlichen Menschen, einer außergewöhnlichen Landschaft, rein u. grandios romantische Schilderung in völliger Zeitferne, von aller Beziehung zu 1933 abgekehrt.
     
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    Sommer 1651 holländische Waljäger auf Spitzbergen .. Jan Brant Matrose, Sohn des reichsten Kaufmanns, Leydener Student. Ihn lockt Forschung, * Barents 3 [ ] Vorgang (Nordostpassage gesucht!), er möchte hier – faustisch – Kolonie schaffen (nicht für Geld, nicht für Holland – für Menschheit, für Gott, für sein Muß!) Er will als Einziger überwintern, den Skorbut durch Citrone u. Frischfleisch bekämpfen. Der erste Winter allein. Das Grausen der Einsamkeit, der Nacht , der Kälte, sein Hund stirbt im Schneesturm ... Dieser erste Winter ist unter allen grandiosen Schilderungen des Buches (Waljagd, Hausbau, Jagden, Matrosenstreit u. Säufer ...) die grandioseste. Jan Brant überlebt mit grauen Haaren. – Zweiter Somer 1652. Seine Leute u. andere kehren zurück. Er ist schon etwas unheimliche Gestalt. Er wirbt. Der Schiffsjunge Gabriel Steen bleibt bei ihm. Kampf mit Engländern, man läßt 39 verhungern – erste Blutschuld. – Den zweiten Winter 1652/53 schildert Ulitz nicht in Spitzbergen. Sondern Holland. Der alte Lukas Brant s. o. Die seltsame Familie. Die Tochter Eleonora Gelehrte,

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