Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
Vom Netzwerk:
Schwierigkeiten bereitet mir noch immer das Ein- u. Ausfahren hier zu Hause. Immer wieder verbeule ich die Kotflügel, beschädige Thor u. Gartenmäuerchen. – Man muß durch- halten; vielleicht komt das Vergnügen noch. – Garagen = u. Verandabau gehen nur schleichend weiter: * Lange hat reguläre Arbeit u. findet wenig Zeit für uns. – Von der Iduna nahm ich noch einmal Geld; das ist nun die letzte Reserve im Spiel. –
    Immer wieder Herzbeschwerden, bei jeder Aufregung u. Anstrengung. Täglich die Frage: Wie lange noch? –
    Ich las vor: * Nordhoff u. * Hall Schiff ohne Hafen[], 1 Seemannschronik 1787 (englisch Mutiny ). Mehr Historie als Roman. Ungemein interessant. Tahiti = Fahrt, Meuterei, englisches Kriegsgericht.
    Heute Beginn der Gartenausstellung, 2 zu der wir Dauerkarten genomen haben. Diese Blumenausstellung ist ein Hauptmotiv zu meinem Fahrenlernen. * Eva wollte so gern gerade die Blumenausstellung studieren. Jedesmal mit Autodroschke hin wäre unerschwinglich; muß sie aber zu Fuß bis zur Elektrischen, so komt sie schon gänzlich ermüdet hin. Der zweite Antrieb war die Nachricht, daß * Heiß, wie * Voßler schrieb, bei seinem kleinen Auto am Herzschlag gestorben war. Ich dachte: Heiss war ja auch hier in Dresden mein Vorgänger. Der dritte Anlaß: die Hoffnung, ich würde als entlassener nichtarischer Frontkämpfer mein volles Gehalt bekomen. Die Hoffnung schlug fehl, u. nun war das vierte Motiv: dawke oder proprio! 3
    Wir werden immer einsamer, ich werde immer mißtrauischer. Besonders seit * Marta Wiechmann zur Hitlerfront eingeschwenkt ist. Warum läßt * Annemarie Köhler seit Monaten nichts von sich hören? Warum haben * * Johannes Köhlers nicht, wie verabredet, wegen einer gemeinsamen Autofahrt telephoniert? – * Isakowitz rüsten zur Übersiedlung nach London, dann sind wir ganz allein. –
    Ich hatte heute einen für die allgemeine Lage charakteristischen Traum. Die Zeitung war viele Seiten lang mit einer Regierungserklärung fett bedruckt: ein Ultimatum, der Krieg sollte andernfalls in 24 Stunden beginnen. Und ich konnte nicht herausbekomen, wer der Gegner sei. Es schien mir: die Türkei, aber ich konnte es wirklich nicht genau genau verstehen. Ich wollte * Eva fragen u. wachte auf. –
    – Die ganze außenpolit. Lage ist vollkomen undurchsichtig. Zu wirr geht das Interessenspiel England – Frankreich – Italien – Rußland durcheinander. Aber klar ist, daß man bei uns ungeheuer rüstet u. eine riesige Machtposition hat. Und daß * Hitler niemals fester gestanden hat. An seinem Geburtstag am 20. 4. ernannte er * Blomberg zum Generalfeldmarschall. * Wilhelm II ist ein Waisenknabe gegen die heutigen Herren. –
    Abends . Wir sind bei strömendem Regen u. aufgeweichtem Boden von 6–¾ 7 durch B die Gartenausstellung gewatet, die heute eröffnet wurde; ich habe meinen Willen durchgesetzt u. * E. im Auto hingefahren. Auf dem Stübelplatz manövrierte ich noch miserabel u. mußte in eine Seitenstraße – aber ich habe meinen Willen durchgesetzt. In der Ausstellung war bisher wenig zu sehen, in der Hauptsache Hallen mit Bildern u. Worten im Reklamesinn des 3. Reiches, für Hitler, Blut u. Boden, schaffende Arbeit, Bauern etc. – aber ich habe meinen Willen durchgesetzt u. E. im Auto am ersten Tag in ihre Ausstellung gefahren.
     

 
    28. April Montag Dienstag .
    Allmählich wird die Fahrerei etwas erfreulicher. Noch immer ist das Gartenthor eine Qual, aber der Anlasser funktioniert, ich fahre besser, u. wir benutzen den Wagen viel – * Eva ist wirklich beweglicher geworden. Wir waren schon 4 x in der Blumenausstellung, die ihr sehr viel gibt u. mich im Wesentlichen um ihretwillen freut; wir verbinden diese Besuche mit anderen Zielen, dem * Zahnarzt, heute dem Bahnhof, wo wir * Maria Strindberg auf der Durchreise begrüßten. Wir waren einen Nachm. bei * * Wenglers, vorher auch in der Ausstellung, u. dann noch mit ihnen in Radeberg. Ich sehe wenig im Fahren, aber das Fahren an sich ist Freude u. Ablenkung, u. E. sitzt nicht mehr so fest u. gefesselt wie vorher. – D altra parte: Ermüdung, Herzbeschwerden, Kosten.
    Und Trostlosigkeit der Lage. Eine Verordnung für Beamte: sie dürfen nicht mit Juden, auch nicht mit sogenannten anständigen Juden[,] u. übelbeleumundeten Elementen verkehren. Wir sind völlig isoliert. Seit Wochen hören wir nichts mehr von * Annemarie Köhler, nichts mehr von * Johannes Köhler.
    Die Arbeit am 18. Jh. Bd 1. nähert sich dem Ende.
    Auch zur

Weitere Kostenlose Bücher