Klemperer, Viktor
tropfenweise dazu – Bondy junior von * Hatvany. Bedeutend, fesselnd – nicht erfreulich.
Mir wird das Schreiben mit der Hand immer schwerer. Sie ist wohl auch vom Auto angegriffen. Also: Maschinenbrief an Gusti. *
Ostersonntag Vorm. 12. 4.
Das Auto frißt mich auf, Herz, Nerven, Zeit, Geld. Es ist nicht so sehr mein kümmerliches Fahren u. die gelegentliche Aufregung dabei, nicht einmal die Mühe der Ein- u. Ausfahrt aber der Wagen ist nie in Ordnung, etwas versagt immer, ich habe alles Zutrauen zu ihm, zu den Reparaturen, zu dem Hauptpfleger u. Berater * Michael verloren. Immer wird mir (mit quittierter Rechnung) versichert, jetzt sei er ganz in Ordnung, u. noch bei jeder Fahrt hat etwas versagt. Benzinzufuhr, Anlasser, Batterie, Bremsen, Reifen. Höchste Qual ist der Anlasser. Ich habe jetzt gelernt, mit Benzinspritze u. Kurbel zu arbeiten – gestern mechanikerte ich auf dem Bismarckplatz. Das Schlimmste in der vorigen Woche; wir wollten in eine Holzhandlung zwischen Nauslitz u. Wölfnitz. Hinter der Schlußstelle des Nauslitzer Omnibus, vor der Höhe: Benzin weg. (Ich glaubte: zuende, aber nein.) Ich durchlief das ganze Dorf: keine Tankstelle. Ein alter Mann u. sein Junge schoben den Wagen auf die Höhe. Ich ließ ihn abrollen, ohne Maschine, die belebte Saalhauserstr weit herunter. Endlich eine Tankstelle. 12 Liter genomen. Der Wagen stockt. In einiger Entfernung eine Reparaturstätte. Ein Mechaniker von dort arbeitet von 5–7 umsonst. Er holt einen Wagen aus seiner Bude, schleppt unsern herauf ab, fährt uns nach Haus, bringt um 10 Abends den Wagen. In Ordnung, mit eigener Kraft. Nächsten Morgen bekome ich die Karre vor die Tür, nicht weiter. Das ging dann Tage lang so fort. * Michael brachte alles in Ordnung (quittierte Rechnung!) Gestern war [ich] bloß bei * Gesch, Feldschlösschenstr, wo ich eine neue Batterie herhabe (32 M), ein wenig nachzuprüfen. Das dauerte eine Stunde, dann mußten wir in eine Werkstatt: Bremsen nachbessern. Und so Tag für Tag. Erschöpfung u. Qual. – Heute um 11 habe ich versprochen, * Isakowitz zu gemeinsamer Fahrt abzuholen. Die Frage ist, ob ich den Wagen startbereit kriege. Gestern Abend brannte die Stoplampe unentwegt u. war nicht auszuschalten; wir mußten die Birne abdrehen. Quomodo nunc? 1 Es klingt sehr komisch, bringt aber zur Verzweiflung. Und immer Herzbeschwerden, u. immer Kosten. – Schon jetzt ist sicher, daß der * Voltaireband bis 1. Mai nicht ganz druckfertig ist.
* Hatvany: Harmonie Bondy junior ausgelesen. Sehr bedeutend.
In politicis bin ich völlig apathisch u. hoffnungslos.
24. 4. Freitag
Der schwierigste Correkturteil, die noch ganz jungfräulichen Abschnitte II, III fertig. Jetzt noch Anmerkungen zum Teil IV u. * Zaïre 1 nachgearbeitet. Und dann endlich an eine neue Arbeit, den * Rousseau. –
Am 30. wird es gerade ein Jahr, seit ich das Amt verlor. Damals hielt ich bei * Marivaux. Seitdem ist der Band nun fertig geworden, ich habe den Hausbau erweitern lassen, ich habe Tippen u. Autofahren gelernt, mein Herz ist schlechter geworden, mein Fell dicker, die politische Lage ist unverändert die gleiche geblieben, einen Auslandsposten habe ich nicht gefunden.
Das Auto beherrscht mich noch immer. Ich fahre im Ganzen passabel. Aber der Wagen quält durch zwei große Schwächen: immer wieder versagt der Anlasser, immer wieder ist bei unvorstellbarem Benzinverbrauch der Tank in unmöglichen Momenten leer. Erfolg: übergroße Kosten, sehr viel Ärger u. Aufregungen, noch kaum eine ganz glatt durchgeführte Fahrt. Bisweilen ist der Wagen zwei Tage lang nicht aus dem Stall zu bekomen. – Unsere größten Strecken bisher: Grillenburg , wo wir * Frl. Carlo im Gopfertheim besuchten, Kesselsdorf-Wilsdruff, wo wir in einer Gärtnerei zwei stattliche Ginstersträucher kauften. Gestern stolz im Wagen beim Zahnarzt. Auf der Rückfahrt am Bismarckplatz – Benzinschluß, Schieben in die Nähe der Tankstelle, mit Kanne geholt. Das einzige Mal, das ich in wirkliche Gefahr geriet, war auch am Bismarckplatz. Ich kam allein von der Bank, wollte anfahren, ramelte einen leeren DKW vor mir, stieß zurück, vergaß im Schrecken die Winkerstellung u. wäre fast von einem Autobus gepackt worden. Gott, hat der Fahrer geschimpft! – Ich kann mich noch nicht getrauen über 45 km. Geschwindigkeit zu nehmen. – Wir müssen versuchen, den Wagen sobald als möglich gegen einen weniger fresssenden u. versicherungshohen 4 Cyl. abzutauschen. Größte
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