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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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entwürdigt u. ganz resigniert. So steht es gewiß um überviele Juden.
    Ich las vor: * Olga Wohlbrück: Du sollst ein Mann sein! 1 Von ihr sprach * Eva oft mit Achtung als von der * Vicky Baum der Vorkriegszeit. Die erste Romanhälfte gut. Nicht sehr originell: ich sagte Mad. * Bovary, 2 Eva: * Nora, 3 aber immerhin eine offenbare typische Berliner Erscheinung im Anfang des Jh s, die haltlose Irene Labisch. Mich erinnerte sie an * Frau Dr. Manz (1904) 4 Auch ihre Eltern, die reichen Conditorsleute, ihr Mann der Oberlehrer u. Bierphilister, auch die tückische Frau Hofprediger – alles das ist gut. Aber der zweite Teil mit seiner verlogenen indischen Erotik u. der ganzen Schiefe des Ehe = u. Lebensweges: der Held aus Bremer Patrizierhaus entsagt der Kunstgeschichte u. übernimt die väterliche Firma; er erzieht seine Frau, die durch Erziehung u. Blut belastete – Vater ein unreeller Kaufmann, ein Verbrecher u. Romanbösewicht – diese ganze Marcus-Lucas = Ges[ch]ichte ist scheußlicher Kitsch. Ich will der W. die Chance geben u. noch ein Buch von ihr lesen. – Aber erst wollen wir jetzt in * Kittels Gestalten in Israel Israël 5 weiterkomen, die mir * Köhler geliehen hat. –
    Arbeitslektüre immer noch * Cassirers Aufklärungsphilosophie .
    – Gestern nach langer Pause ein sehr öder Kino = Abend. Wir wollten zum neuen * Kiepura = Film – ausverkauft – u. landeten im Zentrum = Lichtspiel. Die große Chance. 6 Ein gar zu kindisches Volksstück. Der brave geniale Schlosser der einen Rohölmotor erfu construiert hat u. via amoris 7 (die große Chance) in das große Ullmannwerk u. zum Siege komt. Vorder = u. Hinterhaus, Sieg der volkhaften Tüchtigkeit über die verrotteten Capitalisten, Rührung, ein sentimentaler Schlager – – alles zu billig u. zu blöd. Aber gute Schauspieler u. ein paar hübsche Aufnahmen. Insbesondere von wilden Kunst-u. Sturzflügen. * Camilla Horn 8 die capriziöse Heldin im Salon, im Flugzeug, im Auto. – Es fiel * Eva auf, ihr zuerst, wie ganz u. gar in Beiprogram u. Filmwoche alle Innenpolitik vermieden wurde. Keine einzige Ministerrede, kein kleinstes Hakenkreuz u. Heilgeschrei. Es wächst den Leuten offenbar beim Halse heraus. – Die Mutter des Erfinders, die gutmütige br einfältige brave Frau gab sehr nett * Hansi Niese . 9 Zu eben der Zeit, da sie hier in Bild, Bewegung, Stimme lebendig zugegen war u. wirkte, wirklich sie selber, ist sie nach heutiger Zeitungsnotiz während einer Wiener Aufführung plötzlich gestorben. Eine unheimlich * Hoffmanneske Angelegenheit. 10 –
     

 
    24. April 34. Dienstag
    In den Roman von * Olga Wohlbrück Das goldene Bett (Copyright 19 10 Concordia, Deutsche Verlagsanstalt Berlin) hat man bei neuer Ausgabe: Verlag Martin Maschler, Berlin ohne Datum etliche amüsante u. sinnlose Modernisierungen vorgenomen. Ein Schutzmann wird zum Schupo, ein Chormädchen > girl. Man liest ein Magazin (statt Zeitschrift), trägt einen Jumper (wohl für sweater), fährt auf Weekend . Im Café bläst einer Saxophon . Es ist von Wilhelminischer Zeit die Red[e], als ein besonders reicher Unternehmer wird Kreuzer genannt, als großes Schuhgeschäft Bata , als erfolgreicher Bühnenautor * Georg Kaiser. 1 Ein moderner Sportmensch rei reist nicht nur im Auto, sondern tut sich auch im Flug hervor. – Dabei aber wird mit einem Zehnmarkstück bezahlt, das es seit dem Krieg nicht mehr gibt; um nach 7 ist größter Ladenverkehr – u. wir haben seit dem Krieg Ladenschluß um 7 h. An all diesen Einzelheiten haftet wesentliches Leben der Epoche, u. so wird alle Realität, alles Zeitwesen vernichtet. Ich habe das der Einfachheit halber im letzten Augenblick vor Rückgabe des Buches hier notiert, es wird mir irgendwo in Arbeit u. Kolleg wichtig werden. – Der Uhu, 2 sagt * E., habe vor einiger Zeit eine Liste von Worten gebracht, die es vor zwanzig Jahren noch nicht gab. – Der Uhu brachte neulich leicht gekürzt eine Novelle, fast eine Kurzgeschichte des heute verschollenen * Paul Heyse. 3 Er erzählt charakteristischerweise die kitschigste Renaissancenovelle von einer dämonischen Frau mit unwiderstehlichem blauen Muttermal am unwiderstehlichen Busen. Zwei Freunde gehen an der Dämonin zugrunde, töten sie beide, werden gemeinsam hingerichtet, u. ihre Häupter küssen sich im Herabrollen. Widerwärtige Maske schönen Chronikentons, widerwärtig versteckte Lüsternheit bei gänzlichem Mangel an Psychologie, an innerer Wahrheit. Der Verschollene hat ungleich Besseres

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