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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Qualen: das Geld fehlt, das Haus fehlt, die Gesundheit * Evas fehlt, die politische Lage erdrückt uns – u. nirgends ist ein Ausweg zu finden. Eva ist jetzt oft – nicht immer – hoffnungsvoller als ich. Sie glaubt für sich u. mich an noch viele Lebensjahre; ich selber glaube nur noch wenige Jahre vor mir zu haben.
    Ich verbiete mir wieder u. wieder alles Denken u. lebe von Tag zu Tag. Ich bin schon immer froh, wenn kein Brief vom Hueberprozeß kommt. –
    * Rector Neumann , dem ich mit so viel Erfolg * Johannes Köhler auf die Seele gebunden hatte, starb unerwartet, kaum 65 Jahre alt, ein paar Monate vor seiner Pensionierung
    Am Sonnabend hatten wir die * * Geschwister Wengler bei uns. W. prüft jetzt an meiner Stelle die Volksschullehrer. Dabei neigt W. sehr stark zum Comunismus. Ich erfuhr zum erstenmal daß * W s Mutter Engländerin war, daß er im Elternhaus mehr englisch als deutsch gesprochen hat. Von jedem, der aus anderem Kreis komt, will ich wissen, wie er über die Dauer des gegenwärtigen Zustandes denkt. W. s glauben nicht an seine Festigkeit.
    Sehr ruhig sprach neulich unser Händler * Kuske die Überzeugung aus, der Zusamenbruch müsse komen. Aus seiner Perspective: die Kleinhändler seien erbittert, die Bauern in der Wendei seien erbittert. Er erzählte von einem fahnenreichen Fest in Kamenz, wegen Befreiung des Bezirks von Arbeitslosen. Man habe für den Festtag, was an Arbeitslosen da war, im staatlichen Straßenbau beschäftigt, am nächsten Tag die Leute wieder entlassen.
     

 
    Montag Mittag 7. Mai .
    Heute beginnt mein drittes-Semester. Sehr möglich, daß es mein allerletztes ist. Denn da die Aufnahme ins P. I. gesperrt – wo sollen Studenten herkommen?
     

 
    13. Mai Sonntag .
    Am Montag in Hauptvorlesung u. Seminar: niemand . Ein niederschmetternder Eindruck. Mit einer Pension von etwa 300, 400 M. stünde ich, wie die Dinge liegen, vor dem Nichts. Abends telephonierte ich * Beste an, den Vorsitzenden der Abteil., zur offiziellen Benachrichtigung. Er tröstete: allgemeiner Zustand der Hochschule! Er selber, Nationalökonom, im letzten Semester noch vor 80, sonst vor 150 Hörer gestellt, habe 6 . Gründe: a) die Studenten komen eben erst aus dem Arbeitsdienst, es seien noch nicht alle anwesend, b) es sei das Studium überhaupt abgewürgt. – Am Mittwoch (franz. Verslehre, einstündig) hatte ich 2 Hörerinnen. ( * Blumenfeld, sonst überreich an Studierenden, hat für die psycholog. Vorlesung 4, für psychotechn. Übung 1 Hörer). Nun ist abzuwarten, ob morgen mein Colleg zustande komt. Danach werden wieder 14 Tage Ferien sein. Man hat derart die Pfingstferien von 1 auf 2 Wochen verlängert. Man braucht wohl die Studierenden für den neuen Werbefeldzug gegen Kritikaster u. Miesmacher, u. man will nicht studieren lassen, der Geist, das Wissen sind die Feinde.
    Dieser Werbefeldzug ist am Sonnabend Freitag von * Goebbels eröffnet worden. Rede im Sportpalast. Eine maßlose Hetze u. letzte Warnung an die Juden. Offenkundige Pogromdrohung, wenn der Auslandboykott nicht aufhöre. Versprechen ihnen nichts zu tun, wenn sie sich still in ihren Wohnungen halten[] u. nicht für voll = oder gleichwertig gehalten zu gelten beanspruchen. Europa 1934, Deutschland! – Hinter der ganzen Rede steht Verzweiflung, letzter Alblenkungsversuch. Schon sollen die Siedlungsbauten stocken u. die Reichsautostraßen. In eben der Rede: ans Ausland: wir können unsere Schulden nicht zahlen, nicht wir haben contrahiert, sondern unsere Vorgänger .. Es pfei Das ganze System pfeift auf dem letzten Loch. Wer wird den Zusamenbruch überleben, u. was dann?
    Wir hören immer mehr, gerade von den kleinen Leuten auf die sie sich stützen – unseren kleinbürgerlichen Nachbarn in Dölzschen, unserm Händler * Kuske usw. usw. – wie sehr die Unzufriedenheit wächst. Die Regierung selber treibt immer mehr ins Bolschewistische.
    Am 25. 4. war (nach jahrelanger Pause) Spamer * 1 unser Gast. Der Mann der Volkskunde u. primitiven Denkarten, der gemütliche Frankfurter. Er kam vom Verleger aus Berlin. Er sagte: In Berlin rechnen alle mit baldigem Zusamenbruch. Ich nicht. Die Masse läßt sich alles einreden. Wenn man drei Monate lang alle Zeitungen zwingt zu behaupten, es habe keinen Weltkrieg gegeben, dann glaubt die Masse, es habe ihn wirklich nicht gegeben. Das ist längst meine Meinung. (wörtlich!) Vielleicht urteilt Spamer doch zu sehr von seinem Beruf aus. Vor ein paar Jahren mußte * Eva einmal beim Zahnarzt leichte

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