Klemperer, Viktor
u. über * Proust 3 auf dem Kerbholz; er schickt mir alles. Neulich schrieb ich ihm als Dank auf eine Zusendung: Sind Sie schon habilitiert, oder wann habilitieren Sie sich? Zur Antwort kam ein Brief: er dürfe sich nicht mehr habilitieren, auch sein Assistentenposten sei ihm gekündigt, weil seine * Frau Nichtarierin sei, Tochter des Dermatologen * Jadassohn. 4 Er möchte ins Ausland, habe aber ein * Kind von anderthalb Jahren. – Das übliche Schicksal jetzt. –
Kleinbürgerliches Nachbarvolk in Dölzschen gestaltet wie wir seine Gärten. Man terrassiert, nor legt Steingärten an, (große Mode!) ordnet an ... Ist nicht eine klassischere Gartenkunst wieder im Werden? Nicht ein Zurück zum 17. Jh. aber vielleicht noch weiter zurück. * Eva sagt: gebundenere Gartenkunst, architektonischer als früher. Ist nicht auch so etwas im Aufleben wie die Musterkarte verschiedener Landschaften u. Bauarten en miniature, die den französ. Garten im 18 Jh. charakterisiert vor u. neben dem jardin anglais?
Überall in jedem Tun, Sehen, Lesen verfolgt mich mein 18 ième . Vor allem beschäftigt mich immerfort die Frage der intellektuellen Phantasie, der Befruchtung von Phantasie u. Religion durch Ratio u. Science. Hier liegen im ganzen gegenwärtigen Leben x Analogieen zum 18. Jh. Über diesen ganzen Complex möchte ich eine Einleitungsstudie schreiben wie eine Fuge: das Märchen im 18. Jh. Wenn ich sie einmal schreibe, wird sie mein Meisterstück. Wenn ..
Ich las vor: 1) von dem Polen * Reymont Lodz das gelobte Land 5 Sehr warm wurde ich nicht. Die einzelnen Personen zerfließen zu sehr in dem Stadtbild u. der Idee, man interessiert sich nicht genug für die einzeln Individuen, man vergißt sie geradezu. Dennoch ein bedeutendes Buch. Die Industrie = u. Speculationsstadt, die ihre Menschen demoralisiert. Immer wieder * Zola sche Bilder des Fabriktreibens, der Grausamkeit, Hohlheit, Skrupellosigkeit. Am schlechtesten komen die raffgierigen Juden weg, aber viel besser auch die Deutschen nicht. Und die Gerechtigkeit des Autors liegt darin, daß er auch seinen polnischen Helden Borowiecki brüchig werden läßt; um sich als Fabrikgründer zu behaupten, gibt er die Braut preis u. heiratet das reiche deutsche Mädchen. Am Schluß freilich setzt er sich schein sociale Ziele – aber erst ganz am Schluß. Es gibt auch sonst auf polnischer, aber und nur auf polnischer Seite einige ideale Züge, im Wesentlichen aber auch hier Verkomenheit, Raffgier oder idealistische Phrasen oder adligen Bettlerstolz u. unfähigen Hochmut, die spanisch anmuten. Bei alledem wird die Dämonie der Stadt mit einiger schaudernder Sympathie sehr eindringlich, freilich in breiten Wiederholungen teils geschildert, teils besungen. – 2) * Wallace: Geheime Mächte (Captain Souls) . 1 Vor einiger Zeit lasen wir einen sehr schlechten, nicht einmal spannenden Criminalroman von W., den Hexer; 2 dieser ist besser, wenn auch sehr oberflächlich. Thema der Seelenvertauschung, moderne naturwissenschaftlich-indische Mystik. Ein Mädchen liebt einen Lovelace, kennt seine Niedrigkeit u. gibt sich ihm. Sie liebt gleichzeitig die große Seele eines analphabetischen Mörders (aus Gerechtigkeitssinn natürlich), der indisches Blut u. Wissen hat. Der Geheimnisvolle begeht einen zweiten Mord, wieder einen höchst moralischen, wird gehängt, seine Seele fährt in den bösen Lovelace, u. nun kann das Mädchen ganz glücklich werden. Hübsch an dieser Geschichte ist ihr reichlicher Humorzusatz u. ein bißchen Charakteristik, auch ihr Kampf gegen englische Prüderie. Faul daran, daß die Geschichte, das Wesen, das Verhalten, das Warum u. Wieso des geheimnisvollen Sault in sehr fragwürdigem Dunkel bleiben. Weßhalb, wenn er ein so reiner Mensch ist, dient er einer gehobenen Verbrecherbande? Weßhalb läßt er sich hängen, wenn er sich unschuldig weiß u. noch allerlei Edles auf Erden vollbringen könnte? – Und dann: wo bleibt nun die Seele des Lovelace? Sie wird gehenkt – ist sie vernichtet? – Hübsch widerum, witzig, wie der veränderte Lovelace einerseits nicht ganz verändert ist, wie altes u. neues Ich in ihm ringen u. sich verwirren, wie andererseits die Außenstehenden auf allerlei Art in Verwunderung geraten. –
Sonntag 25. März .
Totale Erschöpfung; immer wieder Einschlafen am Schreibtisch. Die letzte Zeit * Folkierski 3 Entre le Classisisme et le Romantisme durchgearbeitet; * Cassirer 4 Philosophie der Aufklärung begonnen. Meine Aufgabe verwirrt sich mir
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