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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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ab.« Mehr enttäuscht als wütend ließ er sie stehen und ging in die Richtung der brodelnden Dörfler, um dort seine vielleicht gerechte Strafe zu empfangen. Dann blieb er stehen, drehte sich noch mal zu ihr um. Sie war ebenfalls bereits weitergegangen, wahrscheinlich, ohne noch im Geringsten über ihn nachzudenken. »He, eine Frage hätte ich aber noch!«
    Sie ächzte. »Was denn?«
    »Was bringt das?«
    »Was bringt was ?«
    »So ein Kampf. Wenn du verlierst, bekommt er deine Münzen. Aber wenn du gewinnst, bekommst du nicht seine. Du hast dir ja nicht mal sein Schwert genommen.«
    »Was soll ich denn auch mit noch einem Schwert?« Mehr antwortete sie ihm nicht. Sie ging davon, wie sie gekommen war. Die Klinge über dem Rucksack, die Schritte fest, der Gang beinahe der eines Mannes, aber viel, viel wohlgerundeter.
    Er würde sie nie mehr wiedersehen.
    Mit den Händen in den Hosentaschen, die Schultern hochgezogen wie in kaltem Regen, ging er zu seinesgleichen und fühlte sich dort falsch. Man bestürmte ihn. Fragen. Vorwürfe. Anschuldigungen. Selbst den Namen der Fremden hatten die meisten nicht mitbekommen. Sie waren so minderbemittelt und hoffungslos, dass es schon wehtat.
    Etwa eine halbe Stunde lang versuchte er, die Dörfler zu beschwichtigen. Am schlimmsten war das hungrige und durstige Mädchen, das jetzt leer ausgehen würde. Stenrei kannte sie natürlich. Sie hatte schon immer zu Kaskirs Bewunderertruppe gehört.
    Stenrei sah Kaskir dort liegen. Ein kläglicher Klumpen. In seinem erkaltenden Blut.
    Dinklepp war auch nicht mehr da. Seine jüngere Schwester hatte ihn wohl zurückgeführt auf sein Krankenlager. Dort konnte er den Neugierigeren unter den Dörflern noch Fragen beantworten und würde sein Wissen wahrscheinlich bei jeder weiteren Frage noch ein wenig weiter aufbauschen, um immer wieder neue Einzelheiten hinzufügen zu können.
    Stenrei ging nach Hause. Seine Mutter war nicht unter den Schaulustigen gewesen. Sie hatte zu Hause die Bodenbretter gescheuert. Auch der Vater war nicht dort gewesen. Er hatte zu arbeiten gehabt.
    Zum Abendbrot in der Guten Stube mit den von Großvater handbemalten Tellern an den Wänden redete man bei Tisch über das Geschehene, das natürlich Bosels Tagesgespräch war. Stenreis Rolle in dem ganzen Spektakel wurde vom Vater wieder und wieder hervorgehoben und auf das Schärfste kritisiert. Die Stimme des Vaters war schneidend und überflüssig.
    Stenrei aß Rindssuppe mit Brot und schmeckte nicht das Geringste. Er dachte über seinen Großvater nach, der der dümmste und nichtssagendste Mensch gewesen war, dem Stenrei jemals begegnet war. Die Weisheit der Ältesten war die erste Lüge gewesen, die Stenrei schon als Kind nicht mehr zu glauben beschlossen hatte.
    Die Gute Stube kam ihm so stickig und eng vor wie niemals zuvor.
    Selbst Kaskir … selbst der widerwärtige Kaskir hatte heute wenigstens einen richtigen Kampf kosten dürfen. Um hundert Münzen gefochten. Die Bewunderung und Hoffnungen eines ganzen Dorfes in sich aufgesogen. Und sogar in der Niederlage sprachen alle noch von ihm. Dass er es der Versucherin gezeigt hätte, wenn sie ihn nicht so »ehrlos« überrumpelt hätte.
    Kaskir. Stenrei beneidete selbst dessen Ende.
    Sein Vater dagegen: ein Mann, der hinter einer Fassade der Rechtschaffenheit und des Arbeitsfleißes ein absolutes Nichts an Meinungen, Gedanken und Wissen verbarg. Ihm schien einzig darum zu tun, dass sein Sohn und seine Frau sich an seine häuslichen Regeln hielten, diese beiden scheuchte er herum, weil sie kraft eines Gesetzes sein familiäres Eigentum waren, während er außerhalb dieser vier Wände jedem Auftraggeber in den Hintern kroch. Und nichts beschäftigte ihn. Gegen nichts erhob er sich. Nicht, wenn der Steuereintreiber kam und viel zu hohe Abgaben einforderte, weil er am Fürsten vorbei Anteile in seine eigenen Taschen abzweigte. Nicht, wenn sämtliche Baumaterialien minderwertig oder unfähig zusammengemischt worden waren. Nicht, wenn wochenlanger Regen alle Mühen eines Steinsetzers zunichtemachte. Stenreis Vater war wie ein farbloser Schwamm, der sich nur zu Hause als Tyrann aufspielte und gar nicht begriff, dass er sich gerade deshalb um jeden Rest von Würde brachte. Stenrei hatte keine Angst mehr vor ihm, seit er etwa neun Jahre alt gewesen war, und jetzt war er schon sechzehn.
    Und seine Mutter? Die war eigentlich die Stärkere und Belesenere in dieser Ehegemeinschaft, ordnete sich aber unter, um ihre Vorstellung eines

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