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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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unruhig.
    Hektei war nahe, nur wenige Hundert Schritt, sie konnte das beinahe spüren.
    Und Hektei wusste nicht, dass Erenis überhaupt noch am Leben war. Was, wenn dieses Wissen alles verändern würde für die »kleine Schwester«? Sie herausreißen aus ihrem Turnierdasein?
    Aber dieser Gedanke war lächerlich. Warum sie herausreißen? Erenis hatte ihr doch überhaupt nichts zu bieten. Ihr eigenes Herumstreifen und Kämpfen war keinen Deut besser als Hekteis Arenendasein. Erenis gewann nicht einmal Münzen oder Ruhm, Hektei durchaus. Erenis konnte sich nicht einmal einreden, dass sie kämpfte, gegen wen sie wollte, anstatt gegen ausgeloste Turnierteilnehmer. Die Dörfer losten nämlich ebenfalls aus. Sie losten aus, wer aus ihrer männlichen Bevölkerung an diesem ganz bestimmten Tag der dreisteste, tollkühnste Angeber war, und den spuckten sie dann der Klingentänzerin vor die Füße. Sie wusste niemals vorher, worauf sie sich einließ, mit wem sie es zu tun bekommen würde. Wahrscheinlich hatte Hektei mehr Überblick, weil man andere Arenengeschöpfe wenigstens vom Hörensagen kannte.
    Es konnte nicht darum gehen, etwas in Hekteis Leben zu verändern.
    Es ging nur um ein Wiedersehen.
    Egal, wie viele Wunden und welchen Verfall dieses Wiedersehen aufzeigte.
    Die Klingenschwestern hatten niemanden mehr außer ihresgleichen. Darum allein ging es.
    Erenis’ Gesicht wollte sich verzerren, als dieser Gedanke sie durchwühlte, aber sie riss sich zusammen.
    Sie dachte an den Jungen, der ihr jetzt schon seit einiger Zeit die Tage weniger eintönig machte.
    Er würde ihr niemals so nahe sein wie ihre Schwestern, niemals. Selbst dann, wenn sie ihn ausbilden würde, nicht. Er würde immer nur ein Fremder bleiben, der das Glück hatte, noch kein Mann zu sein.
    Also streunte sie herum. Wurde angelabert von Betrunkenen. Männer neigten dazu, die Gefahr zu ignorieren, wenn sie nicht mehr mit dem Kopf dachten.
    Dass sie an Hektei nicht herankam, machte sie bebend vor Zorn und Schwäche zugleich.
    Sie wollte in der Nähe bleiben. Vielleicht vertrat Hektei sich tagsüber ein wenig die Beine.
    Also suchte sie sich ein Quartier, das nicht einmal ein richtiges Dach über dem Kopf bot, sondern nur eine zerschlissene Zeltplane. Sie war es gewohnt, beim Einschlafen vom Funkeln der Sterne überrieselt zu werden.
    Aber sie konnte nicht schlafen.
    Gedanken kämpften in ihr wie mit hell aufscheinenden Klingen.
    Hektei. Die Frau, die auftrennt . Der Junge. Im Oval. Hektei. Im Oval, nachts, wenn Jungen schliefen. Der Rittrichter. Der Junge. Hektei.
    Plötzlich glaubte sie zu wissen, was der Rittrichter plante.
    Er wollte keine Hinterhalte mehr, kein verstohlenes Belagern, Überfallen, Auflauern, Heimlichtun. Um all die Scharten auszuwetzen, die Erenis ihm schon zugefügt hatte, brauchte er den größtmöglichen Triumph, den Beifall der Menge.
    Das Oval. Er wollte das Oval benutzen!
    Was sonst sollte eine Klingentänzerin in Brendin Grya suchen als das Oval, entweder als Zuschauerin oder sogar als Teilnehmerin? Und sobald sie sich dort blicken ließ, würden seine Schergen sie umstellen. Und je mehr sie sich wehrte, je größer das Blutbad wurde, das sie anrichtete in ihrem Bestreben, nicht gefasst zu werden – desto sicherer würde ihm die Gunst der Masse sein. Die Menschenmenge würde sogar versuchen, ihr ins Schwert zu fallen, um ihm seine Aufgabe zu erleichtern.
    Der Feigling. Er wollte das Blut von Unschuldigen benutzen, um sich von all seinen Verfehlungen reinzuwaschen.
    Sie überlegte fieberhaft.
    Morgen wollte sie bei der Runde des Volkes zuschauen, um zu sehen, wie der Junge sich hielt. Sie war zwar sicher, dass er scheitern würde, aber sie hatte keine Lust, sich hinterher von ihm prahlerische Märchen auftischen zu lassen. Lieber wollte sie mit eigenen Augen gesehen haben, was sich abspielte.
    Der Rittrichter konnte nicht ahnen, dass sie morgen zuschauen würde, denn bislang war Stenrei seiner Aufmerksamkeit jedes Mal entgangen, sodass er nichts von ihrer freundschaftlichen Beziehung ahnte. Aber das war ohne Belang. Egal, weshalb sie in das Oval ging, um den Jungen zu sehen, um Hektei zu sehen, um den Sieger, falls es ein Mann war, selbst herauszufordern – der Rittrichter würde seine Männer dort postiert haben, um sie in der Menge oder auf dem Kampffeld auszumachen. Die fünf Schergen hatten sie auf der Kutsche mit eigenen Augen gesehen. Sie würden sie erkennen.
    Es gab also nur zwei Möglichkeiten.
    Entweder sie nutzte die

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