Klingenfieber: Roman (German Edition)
antwortete nicht.
Es begann zu dunkeln. Viele der Masten legten sich hin.
Sie sprach ihn an. »Stenrei?«
»Yunia?«
»Ich muss mal. Hältst du solange meinen Platz frei?«
»Niemand wird ihn bekommen. Ich verteidige ihn mit Stab und Leben.«
Verlegen huschte sie davon. In den Mauern schien es verborgene Örtchen zu geben. Gut zu wissen, dachte Stenrei. Kurz bevor es losging, würde er auch gerne gehen. Und dann konnte Yunia ihm den Platz frei halten. Wie machte man das eigentlich, wenn man ganz alleine war?
Während Yunia fort war, dachte er über Erenis nach. Sie war immer ganz alleine. Auch mit ihm war sie allein. Bei Ladiglea hatte sie nicht bleiben können. Bei Hektei sicherlich auch nicht. Bei Neeva schon gar nicht. Erst, wenn Ugon Fahus tot war, war der Bann vielleicht gebrochen.
Ihm fiel etwas ein, was sie ganz am Anfang erzählt hatte, als sie gerade erst damit begann, von sich zu sprechen. Dass sie in ihrem Dorf schon als Kind eine Gemiedene gewesen war. Wie hatten die anderen Kinder sie genannt? Tochter des Krieges ? Was bedeutete das? Wo sie doch erst später von dem Kriegslehrer ausgebildet worden war. Stenrei hatte vergessen, sie danach zu fragen, und nahm sich vor, das bei ihrem nächsten Treffen nachzuholen.
Yunia kehrte zurück und sah sehr erleichtert aus, schon gar nicht mehr so streng.
»War was los?«
»Es war die Hölle! Zehn Mann stürzten sofort los und wollten deinen Platz, ich musste sie alle verdreschen. Glücklicherweise wurden sie disqualifiziert.« Sein Humor brachte sie nicht so zum Lachen wie seine Ungeschicklichkeit. Er lenkte ein und sagte: »Nein, alles war ruhig.«
»Wenn du willst, kannst du auch«, flüsterte sie.
»Danke. Noch nicht. Aber morgen früh. Wann wird es denn losgehen?«
»Morgen Vormittag. Wenn die Zuschauer drin sind.«
»Dann haben wir noch viel Zeit. Ich denke, ich versuche jetzt ein wenig zu schlafen.«
»Du solltest besser noch üben«, sagte Yunia mit gerunzelter Stirn.
»Ja, wahrscheinlich. Aber nicht im Dunkeln. Morgen Vormittag ist noch Zeit.«
Er legte sich in den vom Tag noch warmen Sand und versuchte, es sich mit dem Kopf auf den Armen so gemütlich wie möglich zu machen.
Morgen.
Morgen würde er sich bewähren können. Sich aus Erenis’ Schatten herausstrampeln.
Aber er vermisste sein Schwert. Die kühle Klinge kam ihm jeglichem Holz so unendlich überlegen vor.
Erenis trieb sich bis zum Einbruch der Dunkelheit außen in der Nähe des Ovals herum. Sie erkundigte sich und erfuhr eine ganze Menge.
Die Festspiele waren eine bunte Mischung. Es würde Schauspielaufführungen geben, eine Windhundedressur, ein Wettspiel mit einem Ball und Schlägern auf Höckerpferden und sogar einen tanzenden Kinderchor. Kämpfe waren nur ein kleiner Teil des Ganzen, und blutige Kämpfe auf Leben und Tod sogar nur ein winziger. Es gab ein großes allgemeines Holzstäbeverdreschen und anschließend ein umfangreiches Turnier, das einen ganzen Tag lang dauerte und bei dem jeder der zehn Gewinner gegen jeden anderen der zehn Gewinner einmal antreten musste, sodass es mehr als vierzig Kämpfe gab, bis derjenige mit den meisten Siegpunkten feststand oder es sogar noch ein Stechen geben musste. Des Weiteren gab es am letzten Tag einen Faustfechtwettstreit mit acht vorab handverlesenen Teilnehmern in drei Ausscheidungsrunden.
Aber in der Nacht vor dem letzten Tag, wenn alle Kinder längst im Bett waren, würde es insgesamt drei Kämpfe auf Leben und Tod geben, Blut zu Ehren der hiesigen Götter. Drei Kampfpaarungen. Drei Sieger, drei Leichname. Die Kämpfer kamen von weither, die meisten von den Wandernden Feuern der Barbarei. Aber die Frau, die auftrennt war eine dieser sechs. Hektei. Jene Hektei, die aus der »kleinen Schwester« geworden war.
Erenis versuchte, an die sechs Blutkämpfer heranzukommen, was nicht einfach war, denn sie wurden sorgfältig abgeschirmt. Einer der Wächter erklärte sich bereit, Erenis in die Quartiere zu schmuggeln, wenn sie ihm als Gegenleistung mit »mindestens einer ihrer Hände« eine »Gefälligkeit erweisen« würde, aber sie lehnte das ab. Stattdessen überlegte sie, ihn umzubringen, aber sie wollte kein Aufsehen, jetzt noch nicht.
Die ganze Zeit über schaute sie sich sorgfältig nach dem Rittrichter und seinen erfahren wirkenden Sonderbütteln um, doch nichts war zu sehen, keine konkrete Falle zu wittern. Irgendetwas braute sich sicherlich zusammen, aber sie hatte noch keine Anhaltspunkte, was.
Sie wurde
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