Klingenfieber: Roman (German Edition)
lange durchzuhalten. Wahrscheinlich fand sie das Kämpfen mit Holz jedoch albern und war auch nicht besonders gut darin. Andererseits hatte es sicherlich mit zur Ausbildung in ihrer Schule gehört. Hatte sie nicht erzählt, dass sie erst in einem bestimmten Alter ihr Schwert ausgehändigt bekommen hatte?
Er wog den Stab in den Händen, orientierte sich zu den Innenmauern des Ovals, oberhalb derer sich die noch vollkommen verwaisten Sitzbänke der Zuschauer befanden, und sah, was er beinahe befürchtet hatte: dass entlang der Wände schon alles belegt war. Zu viele andere waren schlau genug gewesen, sich immerhin den Rücken frei halten zu wollen.
Vielleicht konnte er nach dort nachrücken, wenn er in der Nähe der Wände begann? Nein, diesen Gedanken verwarf er wieder. Von den Wänden aus konnten alle Teilnehmer nur nach innen marschieren, auf ihn zu. In der Nähe der Wände würde er also wahrscheinlich einfach überrollt werden. Es war besser, sich in diesem eigentümlichen Hafen einen Liegeplatz zu sichern, an dem Angriffswellen auch um ihn herumfließen konnten.
Er ging zur Mitte. Ebenfalls überall Leute, aber in etwas größeren Abständen. Holzstababständen, schätzte er. Aber immerhin gab es noch mehrere Freiflächen. Für welche er sich entschied, war eigentlich egal. Alle Freiflächen sahen gleich verletzlich aus. Da es ihm an sonstigen Kriterien mangelte, entschied er sich für eine Fläche in der unmittelbaren Nachbarschaft des hübschesten Mädchens, das er bislang im Inneren des Ovals erblickt hatte. Sie war keine Erenis, war viel schmaler, auch ihr Busen war eher klein. Aber sie hatte schwarze Haare, zu zwei Zöpfen geflochten, und ein entschlossenes, ernstes Gesicht, das fremdartig aussah, wahrscheinlich stammte sie aus oder sogar von jenseits der Offenen Länder. Ihre Augen waren sehr groß und dunkel, und sie musterte ihn nicht nur geringschätzig, sondern durchaus mit Interesse. Kein Wunder: Wenn der Kampf morgen losging, würde er wahrscheinlich ihr erster Gegner sein.
»Angenehm. Stenrei«, stellte er sich höflich vor.
»Yunia«, sagte sie mit einem Nicken. Sie war bestimmt auch nicht älter als er und hatte sich genauso hier herein gemogelt.
»Das ist mein erstes Mal. Bei diesen Festspielen, meine ich.« Er versuchte mit Lächeln die Anspannung zwischen ihnen zu entschärfen.
»Für mich auch.«
»Ganz schön beeindruckend hier.«
»Ja.«
»Ich dachte, an den Mauern wird es sicherer, aber da ist schon alles besetzt.«
»Die sind dumm. Ich glaube, die meisten werden sich von der Mitte weg zu den Mauern hinbewegen. Da wird es dann voll und gefährlich. Hier etwas leerer.«
»Ja, kann sein.« Er dachte nach und schaute sich um. »Kann wirklich sein. Bist du schon lange hier?«
»Drei Stunden.«
»Hm. Wenn du dich ausruhen willst, schlafen oder so, kann ich auf deinen Platz mit aufpassen.«
»Nicht nötig.«
Mehr sprachen sie vorerst nicht. Nach wie vor fand Stenrei es schwierig, Gespräche mit Mädchen in Gang zu halten. Es sei denn, diese Mädchen redeten von sich aus ununterbrochen.
Um sich die Zeit zu vertreiben, beschloss er, sich mit dem Stab vertrauter zu machen. Er vollführte Schläge mit ihm. Einhändige. Beidhändige. Führte ihn im Kreis. Wirbelte ihn und hob ihn wieder auf, wenn er runterfiel. Es machte ihm nichts aus, sich vor Yunia zu blamieren. Sie durfte ruhig wissen, dass er keinerlei Erfahrung mit Kampfstäben besaß.
Meistens schaute sie ihm gar nicht zu. Ab und zu verstohlen. Zweimal belustigt, wenn er sich besonders ungeschickt anstellte. Aber sie wurde sehr schnell wieder ernst. Gab sich dann unbeteiligt. War aber doch immer wieder neugierig.
Irgendwann schwitzte er vor Anstrengung.
Irgendwann entglitt ihm der Stab einmal und traf mit der Längsseite einen anderen Nachbarn. »He, du Tölpel! Für Kampfhandlungen vorm Eröffnungssignal kannst du disqualifiziert werden!«
»Tut mir tausendfach leid, das war nur ein Versehen. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr Euren Stab ebenfalls nach mir werfen, dann sind wir quitt.«
»Quatschkopf!«
Yunia kicherte hinter vorgehaltener Hand.
Irgendwann sank die Sonne. Der Himmel über Brendin Grya wurde brennend und spektakulär.
Irgendwo in der weiten Schüssel brach eine Keilerei aus. Eine Keilerei mit Stäben, die sich fortpflanzte. Insgesamt sieben Personen wurden anschließend von gelb gekleideten Inspizienten aus dem Oval geführt. Disqualifiziert.
»Da werden wieder Plätze frei«, sagte Stenrei zu Yunia. Sie
Weitere Kostenlose Bücher