Klonk!
Brücke festgekeilt, ein Obergeschoss aufgerissen und dabei einen Teil seiner Ladung verloren. Zwischen dem Fuhrmann und dem unbeeindruckten Eigentümer des neuen Bungalows gab es eine Auseinandersetzung. Wertvolle Sekunden gingen verloren, als sich Mumm über und durch das Heu mühte, und dann lief er durch den zum Stehen gekommenen Verkehr zur anderen Seite der Brücke. Vor ihm erstreckte sich die breite Durchgangsstraße namens Kühner Weg – sie war voller Karren, und es ging die ganze Strecke bergauf.
Er würde es nicht schaffen. Inzwischen musste es bereits fünf vor sechs sein. Die Vorstellung von dem kleinen Gesicht…
»Herr Mumm!«
Er drehte sich um. Eine Postkutsche war hinter ihm auf die Straße abgebogen und näherte sich. Karotte saß neben dem Kutscher und winkte.
»Aufs Trittbrett, Herr!«, rief er. »Dir bleibt nicht mehr viel Zeit!«
Mumm lief erneut los, und als die Kutsche zu ihm aufschloss, sprang er aufs Trittbrett vor der Tür und hielt sich fest.
»Ist dies nicht die Postkutsche nach Quirm?«, rief er, als der Kutscher die Pferde zum kurzen Galopp antrieb.
»Das stimmt, Herr«, antwortete Karotte. »Ich habe erklärt, dass es eine extrem wichtige Angelegenheit ist.«
Mumm hielt sich noch entschlossener fest. Die Postkutschen hatten sehr gute Pferde. Die nicht weit von ihm entfernten Räder waren nur noch Schemen.
»Wie bist du so schnell hierher gekommen?«, rief er.
»Ich habe eine Abkürzung durch den Apothekergarten genommen, Herr!«
»Was? Meinst du den kleinen Weg am Fluss? Der ist nicht breit genug für eine Kutsche wie diese!«
»Es war ein wenig eng, Herr, ja. Besser wurde es, als die Kutschenlampen abgekratzt waren.«
Mumm nahm dies zum Anlass, die Seite der Kutsche zu betrachten. Überall sah er tiefe Kratzer.
»Na schön!«, rief er. »Sag dem Kutscher, dass ich für alles aufkomme! Aber es hat keinen Zweck, Karotte. Um diese Zeit gibt es immer einen Stau auf dem Parkweg!«
»Keine Sorge, Herr! Ich rate dir, dich gut fest zu halten, Herr!«
Mumm hörte das Knallen der Peitsche. Dies war eine echte Postkutsche. Postsäcken ist es egal, ob sie es bequem haben oder nicht. Er fühlte die Beschleunigung.
Es war nicht mehr weit bis zum Parkweg. Mumm konnte nicht viel sehen, denn der Fahrtwind trieb ihm Tränen in die Augen, aber er wusste, was weiter vorn lag: einer der schlimmsten Verkehrsstaus in der Stadt. Zu jeder beliebigen Tageszeit herrschte dort Chaos, aber der frühe Abend war besonders schrecklich, was an dem in Ankh-Morpork weit verbreiteten Glauben lag, dass das schwerste Fahrzeug oder der am lautesten fluchende Fahrer Vorfahrt hatte. Dauernd kam es zu irgendwelchen kleineren Zusammenstößen, was stets dazu führte, dass die betreffenden Fahrzeuge die Kreuzung blockierten, während die Fahrer Fragen der Verkehrssicherheit erörterten, mithilfe der ersten Waffe, die sie in die Hand bekommen konnten. Und diesem Mahlstrom aus drängelnden Pferden, hastenden Fußgängern und fluchenden Fahrern näherte sich die Postkutsche im vollen Galopp.
Mumm schloss die Augen – und riskierte es, sie wieder zu öffnen, als sich das Geräusch der Räder veränderte.
Die Kutsche flog über die Kreuzung. Mumm sah kurz eine endlose Schlange, die wütend und schreiend hinter zwei reglosen Trollwächtern wartete, und dann raste die Kutsche in Richtung Teekuchenstraße.
»Du hast die Straße gesperrt? Du hast die Straße gesperrt!«, rief er im Heulen des Fahrtwinds.
»Und die Königsstraße«, erwiderte Karotte. »Nur für den Fall.«
»Du hast
zwei
Hauptstraßen gesperrt? Zwei verdammte Hauptstraßen? Während der Hauptverkehrszeit?«
»Ja, Herr«, bestätigte Karotte. »Es war die einzige Möglichkeit.«
Mumm hielt sich sprachlos fest. Hätte
er
so etwas gewagt? Eigentlich war es typisch für Karotte. Es gab ein Problem, und jetzt gibt es keins mehr. Vermutlich stockt inzwischen der Verkehr in der ganzen Stadt, aber das ist ein
neues
Problem.
Er würde es rechtzeitig nach Hause schaffen.
Hätte eine Minute eine Rolle gespielt? Wahrscheinlich nicht, obgleich der kleine Sam eine sehr genau gehende innere Uhr zu haben schien. Selbst zwei Minuten Verspätung wären vielleicht noch in Ordnung gewesen. Oder sogar drei. Man konnte eventuell bis fünf gehen. Aber das war’s. Wenn man bis zu fünf Minuten gehen konnte, würden daraus schnell zehn, eine halbe Stunde, zwei Stunden… und dann sah man den Sohn den ganzen Abend nicht. Deshalb musste er pünktlich sein. Sechs Uhr.
Weitere Kostenlose Bücher