Kloster Northanger
mich, ich hatte mein Lieblingskleid an.«
Catherine konnte nicht antworten. Und nachdem man es mit ein paar anderen Themen versucht hatte, kehrte Mrs. Allen zu »Ich bin wirklich ungehalten über den General« zurück. »Ein so unterhaltsamer, ehrenwerter Mann, wie er anscheinend war! Ich kann mir nicht vorstellen, Mrs. Morland, dass Sie jemals einen so vollkommenen Gentleman getroffen haben. Seine Wohnung wurde gleich am Tag nach seiner Abfahrt wieder vermietet, Catherine. Aber kein Wunder, Sie wissen ja, Milsom Street …«
Als sie wieder nach Hause gingen, gab sich Mrs. Morland Mühe, ihre Tochter davon zu überzeugen, wie glücklich sie sich schätzen könne, zwei so verlässliche und wohlmeinende Leute wie Mr. und Mrs. Allen zu kennen, und wie wenig die Geringschätzung oder Unfreundlichkeit von solch flüchtigen Bekannten wie den Tilneys bedeute, wenn sie sich die gute Meinung und Zuneigung ihrer früheren Freunde erhalten könne. In all dem steckte eine gehörige Portion gesunder Menschenverstand. Aber es gibt Stimmungen im menschlichen Leben, denen man mit gesundem Menschenverstand nicht beikommt. Und Catherines Empfindungen widersprachen den Standpunkten, die ihre Mutter vertrat, beinahe in allem. Es war gerade das Verhalten dieser ganz flüchtigen Bekannten, wovon ihr ganzes gegenwärtiges Glück abhing. Und während Mrs. Morland ihren eigenen Standpunkt erfolgreich durch ihre einleuchtende Darstellung bestätigte, dachte Catherine insgeheim, dass Henry
jetzt
in Northanger angekommen sein,
jetzt
von ihrer Abreise gehört haben musste und sie
jetzt
vielleicht alle nach Hereford aufbrachen.
Kapitel 30
Catherine neigte von Natur weder dazu stillzusitzen, noch hatte sie sich je durch besonderen Fleiß ausgezeichnet. Und wenn ihre Mutter sich darüber schon vorher Sorgen gemacht hatte, so konnte sie jetzt nicht umhin festzustellen, dass sich der Fehler wesentlich verschlimmert hatte. Sie konnte keinen Moment stillsitzen und sich auch keine zehn Minuten lang beschäftigen, sie wanderte immer wieder durch den Blumen- und Obstgarten, als hielte sie ein innerer Motor in Bewegung. Und anscheinend wanderte sie auch lieber durchs Haus, als dass sie sich ruhig im Wohnzimmer hinsetzte. Die auffälligste Veränderung war allerdings ihre Niedergeschlagenheit. Wenn das ziellose Umhergehen und die Untätigkeit nur ein verzerrtes Bild ihres früheren Selbst waren, so war sie in ihrem Schweigen und ihrer Traurigkeit das genaue Gegenteil von allem, was sie früher gewesen war.
Zwei Tage lang ließ Mrs. Morland es hingehen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Aber als auch die dritte Nacht ihre Fröhlichkeit nicht wiederhergestellt und weder ihren Unternehmungsgeist belebt noch ihr Interesse am Handarbeiten angeregt hatte, konnte sie sich eines leisen Vorwurfs nicht länger enthalten: »Meine liebe Catherine, ich fürchte, du spielst etwas zu sehr die feine Dame. Ich weiß nicht, wann der arme Richard seine Krawatten gebügelt bekäme, wenn sich außer dir niemand seiner annähme. Bath spukt dir zu viel im Kopf herum. Aber alles hat seine Zeit – Bälle und Theater und Arbeit. Du hast dich nun lange genug amüsiert, jetzt musst du versuchen, dich nützlich zu machen.«
Catherine machte sich gleich an die Arbeit und sagte mit bedrückter Stimme, Bath spuke ihr nicht im Kopf herum – jedenfalls kaum.
»Dann grämst du dich über General Tilney, und das ist sehr einfältig von dir. Denn ich wette, du siehst ihn nie wieder. Über Kleinigkeiten soll man sich nicht grämen.« Nach kurzer Pause fuhr sie fort: »Ich hoffe nicht, mein Kind, dass es dir zu Hause nicht mehr gefällt, weil es nicht so großartig ist wie Northanger. Dann hätte dein Besuch nur Unheil angerichtet. Man soll sich überall wohl fühlen, aber besonders zu Hause, weil man dort die meiste Zeit verbringt. Es hat mir gar nicht recht gefallen, dass du beim Frühstück so viel über das französische Brot in Northanger geredet hast.«
»Mir liegt nichts an dem Brot. Es ist mir ganz egal, was ich esse.«
»Es gibt in einem der Bücher oben einen sehr klugen Aufsatz über genau dieses Thema, über junge Mädchen, denen ihre hochgestochenen Bekanntschaften den Geschmack an zu Hause vergällt haben … Im
Mirror
33 , glaube ich, ich suche ihn dir bei Gelegenheit heraus, denn ich bin sicher, er wird dir guttun.«
Catherine sagte nichts weiter und machte sich mit der Absicht, sich zu bessern, an die Arbeit. Aber nach ein paar Minuten versank sie, ohne es selbst zu
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