Kloster Northanger
»Zugegeben«, fuhr ihre abgeklärte Mutter fort, »ich bin froh, dass ich vorher von deiner Reise nichts wusste. Aber jetzt, wo alles glücklich vorbei ist, ist der Schaden nicht groß. Es tut jungen Leuten ganz gut, mal auf sich selbst gestellt zu sein, und du weißt ja, meine liebe Catherine, du warst immer ein trauriger kleiner ›zerstreuter Professor‹, aber nun musstest du deine fünf Sinne wohl oder übel zusammennehmen, wo du so oft die Postkutsche wechseln musstest und so weiter. Und hoffentlich stellt sich nicht heraus, dass du etwas in den Seitentaschen vergessen hast.«
Das hoffte Catherine auch und gab sich Mühe, ihren eigenen Fortschritten Interesse abzugewinnen, aber sie war zu niedergeschlagen dazu. Und da sie nur den einzigen Wunsch hatte, zu schweigen und allein zu sein, befolgte sie bereitwillig den nächsten Rat ihrer Mutter, ins Bett zu gehen. Da ihre Eltern in ihrer Blässe und Erregung nichts sahen als die natürliche Folge ihrer großen Enttäuschung und der ungewöhnlichen Anstrengung und Strapaze einer solchen Reise, trennten sie sich von ihr in der Gewissheit, dass diese bald durch den Schlaf überwunden würden. Und obwohl sie sich am nächsten Morgen beim Frühstück nicht so erholt hatte wie gehofft, kam ihnen noch immer nicht der geringste Verdacht, dass der Schmerz tiefer saß. Dass ihr Herz im Spiel sein könne, kam ihnen nicht ein einziges Mal in den Sinn, was bei Eltern einer jungen Dame von siebzehn, die soeben von ihrem ersten Ausflug in die Welt zurückgekehrt ist, einigermaßen verblüfft.
Sobald das Frühstück vorüber war, setzte sich Catherine hin, um ihr Versprechen gegenüber Miss Tilney zu erfüllen, deren Vertrauen auf die Wirkung von Zeit und Entfernung auf die Stimmung ihrer Freundin sich bereits bestätigte, denn schon machte sich Catherine Vorwürfe, sich so kühl von Eleanor verabschiedet, ihre Freundschaftsbeweise und ihre Fürsorge nicht gebührend gewürdigt und nicht genug Mitleid aufgebracht zu haben für das, was sie nach ihrer Abfahrt durchmachen musste. Die Intensität dieser Empfindungen kam ihrer Feder allerdings keineswegs zugute, und nie war ihr das Schreiben so schwergefallen wie jetzt an Eleanor Tilney. Einen Brief aufzusetzen, der gleichzeitig ihren Gefühlen und ihrer Lage gerecht wurde, Dankbarkeit ohne unterwürfiges Bedauern, Zurückhaltung ohne Kälte und Ehrlichkeit ohne Bitterkeit ausdrückte – ein Brief, dessen Lektüre Eleanor nicht verletzen würde und bei dem vor allem sie selbst nicht zu erröten brauchte, falls Henry ihn zu sehen bekam, war ein Unterfangen, an dem sie fast verzweifelte. Es ganz kurz zu machen, war nach langem Nachdenken und großer Unschlüssigkeit das Einzige, wozu sie sich mit Selbstvertrauen entschließen konnte. Das Geld, das Eleanor ihr geliehen hatte, wurde deshalb mit wenig mehr als dankbarer Anerkennung und tausend guten Wünschen einer zärtlichen Freundin zurückgeschickt.
»Das war eine eigenartige Bekanntschaft«, bemerkte Mrs. Morland, als der Brief fertig war, »schnell geschlossen und schnell beendet. Es tut mir leid, dass es so gekommen ist, denn Mrs. Allen hielt sie für ausgesprochen nette junge Leute. Und mit deiner Isabella hattest du auch solches Pech. Ach! Armer James! Nun ja, man lernt nie aus, und ich hoffe, dass die nächsten Freunde, die ihr kennenlernt, sich als verlässlicher erweisen.«
Catherine wurde rot, als sie mit Nachdruck erwiderte: »Keine Freundin könnte verlässlicher sein als Eleanor.«
»Wenn das so ist, mein Kind, dann werdet ihr euch bestimmt irgendwann wiedersehen. Mach dir nichts daraus. Ich wette, dass ihr euch im Laufe der nächsten Jahre wieder über den Weg lauft. Und was wird das für eine Freude sein!«
Mrs. Morland hatte wenig Glück mit dem Versuch, Catherine zu trösten. Bei der Aussicht auf ein Wiedersehen im Laufe der nächsten Jahre konnte sich Catherine lebhaft ausmalen, was in der Zeit geschehen mochte, um ihr ein Wiedersehen unerträglich zu machen. Sie würde Henry Tilney nie vergessen oder mit weniger Zärtlichkeit an ihn denken als in diesem Moment. Aber vielleicht vergaß er sie ja. Und sich dann wiederzutreffen …! Ihre Augen füllten sich mit Tränen bei dem Gedanken an eine unter solchen Umständen erneuerte Bekanntschaft. Und da ihre Mutter sah, dass ihre tröstlichen Vorschläge nicht die gewünschte Wirkung hatten, machte sie einen neuen Vorschlag, ihre Stimmung zu heben, nämlich Mrs. Allen zu besuchen.
Die beiden Häuser lagen nur eine
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