Kloster Northanger
Those Elegant Decorums: The Concept of Propriety in Jane Austen’s Novels. Albany: State University of New York Press, 1973. [Über
Northanger Abbey
: S. 62–81.]
Southam, B. C.(ed.): Northanger Abbey and Persuasions. A Casebook. London/Basingbroke: MacMillan, 1976.
Nachwort
»That young lady had a talent for describing the involvement and feelings and characters of ordinary life which is to me the most wunderful I ever met with.«
Walter Scott über Jane Austen
1
Northanger Abbey
hat von allen Romanen Jane Austens die ungewöhnlichste Textgeschichte. Das Buch wird zwischen 1797 und 1803 von der erst gut Zwanzigjährigen geschrieben, begonnen aber möglicherweise schon 1790 und heißt
Susan
. Dass der erste, in Bath spielende Teil die Spuren von Janes eigenem dortigen Leben zwischen 1801 und 1806 trägt, wird in der genauen Schilderung der Örtlichkeiten deutlich. Wie alle frühen Manuskripte der Autorin erlebt es seine »Uraufführung« wohl im Familienkreis, dem Jane mit dem Vorlesen ihrer witzigen und parodistischen Geschichten viel Vergnügen bereitet. Über eine Mittelsperson ihres Bruders Henry wird das Manuskript im Frühjahr 1803 an den Verleger Crosby für zehn Pfund zur unmittelbaren Veröffentlichung verkauft. Es muss ein stolzer Augenblick für die junge Dame gewesen sein, der sich mit der Publikation dieses ersten Buches binnen Jahresfrist eine literarische Karriere zu eröffnen scheint. Aber obwohl der Verleger das Autorenhonorar bezahlt hat, unternimmt er weiter nichts; er kündigt den Band an, ohne ihn je erscheinen zu lassen. Sechs Jahre später schreibt Jane Austen anonym an Crosby und erkundigt sich nach dem Manuskript. Sie könne nur vermuten, dass es verlorengegangen sei, da es entgegen der Absprache nicht veröffentlicht wurde, und sie erklärt sich bereit, ein zweites Exemplar zu übersenden, falls das sonst unerklärliche Nichterscheinen darauf zurückzuführen sei. Crosby antwortet mit dem Angebot, ihr das Manuskript zum selben Preis wieder zu überlassen. Eine Erklärung gibt er nicht, nur verbittet er sich die anderweitige Veröffentlichung, solange er rechtmäßig im Besitz des Manuskriptes sei. Erst 1816, als Jane Austen schon mehrere Romane publiziert hat und sich ihre Anonymität langsam zu lüften beginnt, macht sie von dem Angebot des Rückkaufs Gebrauch. Dass die geachtete Autorin von
Sense and Sensibility, Pride and Prejudice, Mansfield Park
und
Emma
die Verfasserin des Buches ist, das er so vernachlässigt hat, erfährt Crosby erst, als er die Rechte daran wieder abgetreten hat.
Jane Austen bearbeitet das unterdessen gut fünfzehn Jahre alte Manuskript, legt es dann aber zunächst zugunsten ihres neuen Romans
Persuasion
vorläufig wieder zur Seite. Daher kommt es wieder nicht zur unmittelbaren Publikation und diesmal mit tragischen Folgen: 1817 stirbt Jane Austen im Alter von zweiundvierzig Jahren. Ihr Bruder nimmt sich ihrer beiden noch unveröffentlichten Romane an, und so erscheinen 1818 ihr frühes und ihr letztes Werk postum und mit einer biographischen Notiz, aus der die Öffentlichkeit zum erstenmal erfährt, wer sich hinter den immer größere Aufmerksamkeit findenden Romanen verbirgt, die ohne Autorennamen, nur mit dem Hinweis »by a lady« erschienen sind. »Ihr der Nützlichkeit, Literatur und Religion gewidmetes Leben«, schreibt Henry Austen, »war keineswegs ein ereignisreiches Leben.« Warum Crosby das Manuskript zurückgehalten hat, lässt sich nur vermuten. Fürchtete er einen finanziellen Misserfolg? Passte es nicht in sein Verlagsprogramm? War die »gothic novel«, der gotische Schauerroman der Zeit, ihm noch zu populär, als dass er es riskieren wollte, mit einer offensichtlichen Parodie dieses in den neunziger Jahren unglaublich beliebten und erfolgreichen Romantyps ans Licht zu treten? Jedenfalls raubte die verspätete Publikation dem Buch einen Teil seiner unmittelbaren Aktualität, denn 1818 war die große Zeit des gotischen Romans vorüber, obwohl gerade in dieser Zeit noch zwei späte Meisterwerke der Gattung erschienen:
Frankenstein or the Modern Prometheus
(1818) von Mary Shelley (1797–1851) und
Melmouth the Wanderer
(1820) von Charles Maturin (1780–1824). In diesen späteren Werken des Genres fällt auf, dass in ihrem Mittelpunkt nicht mehr das beschützenswerte junge Mädchen steht, sondern der »romantische« Held, von seinen Begierden getrieben, dem Teufel verfallen oder dem Wissensdurst hingegeben. Der gotische Roman ist noch heute
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