Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
Vom Netzwerk:
nach ihrem Zimmer genau gegenüberlag, ging ihr auf, dass ein Lichtstrahl von der Lampe des Generals, wenn sie genau aufpasste, durch die unteren Fenster fallen musste, wenn er das Gefängnis seiner Frau aufsuchte, und zweimal schlich sie, bevor sie zu Bett ging, heimlich an das entsprechende Fenster in der Galerie, um zu sehen, ob das Licht auftauchte. Aber drüben war alles dunkel, also war es wohl noch zu früh. Die verschiedenen Treppengeräusche verrieten ihr, dass die Dienerschaft noch auf war. Bis Mitternacht lohnte es sich also nicht, Wache zu halten, aber dann, wenn die Uhr zwölf schlug und alles ruhig war, würde sie sich, sofern die Dunkelheit ihr nicht zu viel Angst einjagte, hinausschleichen und noch einmal nachsehen. Die Uhr schlug zwölf, und Catherine lag seit einer halben Stunde in tiefem Schlaf.

Kapitel 24
    Am nächsten Tag bot sich keine Gelegenheit zu der geplanten Untersuchung der geheimnisvollen Räume. Es war Sonntag, und die ganze Zeit zwischen dem Vormittagsund dem Nachmittagsgottesdienst verbrachte der General damit, sich draußen Bewegung zu verschaffen oder drinnen kalten Braten zu essen, und so groß Catherines Neugier auch war, ihr Mut reichte nicht, die Zimmer nach dem Dinner entweder bei schwindendem Tageslicht zwischen sechs und sieben Uhr oder bei der noch begrenzteren, wenn auch stärkeren Beleuchtung einer trügerischen Lampe zu untersuchen. Der Tag verging also, ohne dass ihre Phantasie durch mehr als den Anblick eines sehr geschmackvollen Monuments zum Andenken an Mrs. Tilney Nahrung erhalten hätte, das dem Kirchenstuhl der Familie unmittelbar gegenüber stand. Es fiel ihr sofort ins Auge und beschäftigte sie lange, und die Lektüre der überschwänglichen Inschrift, in der ein untröstlicher Ehemann, der sie auf die eine oder andere Weise auf dem Gewissen haben musste, ihr alle erdenklichen Tugenden zuschrieb, rührte sie sogar zu Tränen.
    Dass der General, der ein solches Monument errichtet hatte, seinen Anblick ertrug, war vielleicht nicht so außergewöhnlich, dass er allerdings so trotzig und gefasst davorsitzen, eine so überlegene Haltung bewahren, so unerschrocken um sich blicken, ja, dass er auch nur die Kirche betreten konnte, schien Catherine unbegreiflich. Aber ließen sich denn nicht viele ähnliche Beispiele von verstockten Verbrechern finden? Sie konnte sich an Dutzende erinnern, die jedem erdenklichen Laster frönend, von Verbrechen zu Verbrechen geschritten waren und blindlings ohne jede Regung von Mitleid oder Reue gemordet hatten, bis ein gewaltsamer Tod oder ein Rückzug ins Kloster ihrer finsteren Laufbahn ein Ende setzte. Die Errichtung eines Monuments konnte ihre Zweifel an Mrs. Tilneys tatsächlichem Ableben nicht im mindesten erschüttern. Selbst wenn sie in die Familiengruft, wo ihre sterblichen Überreste angeblich ruhten, hinunterstiege, selbst wenn sie den Sarg, in dem sie angeblich lagen, mit eigenen Augen ansähe, was würde das in einem solchen Fall besagen? Catherine hatte zu viel gelesen, um nicht genau zu wissen, mit welcher Mühelosigkeit eine Wachsfigur untergeschoben und ein Scheinbegräbnis veranstaltet werden konnte.
    Der folgende Morgen versprach größeren Erfolg. Der frühe Spaziergang des Generals, so unangebracht er in anderer Hinsicht war, begünstigte ihre Pläne, und als sie wusste, dass er außer Haus war, schlug sie Miss Tilney unverzüglich vor, ihr Versprechen einzulösen. Eleanor hatte keine Einwände, und da Catherine sie auf dem Weg an ein weiteres Versprechen erinnerte, statteten sie zuerst dem Porträt in ihrem Schlafzimmer einen Besuch ab. Es stellte eine sehr schöne Frau dar mit liebevollem, nachdenklichem Gesichtsausdruck, der so weit den Erwartungen seiner neuen Betrachterin entsprach, doch war Catherine nicht in jeder Beziehung befriedigt, denn sie hatte damit gerechnet, in ihren Zügen, ihrer Haltung, ihrem Teint die genaue Entsprechung, das genaue Ebenbild, wenn nicht Henrys, so doch Eleanors zu finden, da alle Porträts, an die sie denken konnte, immer eine eindeutige Ähnlichkeit zwischen Mutter und Kind aufwiesen. Ein einmal festgehaltenes Gesicht war über Generationen festgehalten. Aber in diesem Fall war sie gezwungen, hinzusehen und nachzudenken und nach Ähnlichkeit zu suchen. Doch trotz dieser Enttäuschung betrachtete sie das Bild mit großer Bewegung, und wenn nicht etwas noch Interessanteres in Aussicht gestanden hätte, hätte sie es nur ungern verlassen.
    Ihre Erregung, als sie die große Galerie

Weitere Kostenlose Bücher