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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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betraten, war zu stark, als dass sie sich in ein Gespräch hätte einlassen können; sie konnte ihre Gefährtin nur ansehen. Eleanors Gesicht machte einen niedergeschlagenen, aber gefassten Eindruck, und diese Haltung bewies, wie unempfindlich sie gegenüber all den düsteren Eindrücken geworden war, die auf sie zukamen. Wieder schritten sie durch die Flügeltüren, wieder lag ihre Hand auf der bedeutungsvollen Klinke, und kaum fähig zu atmen, drehte sich Catherine gerade herum, um die Türen mit ängstlicher Vorsicht zu schließen, als die Gestalt des Generals, die gefürchtete Gestalt des Generals ihr am anderen Ende der Galerie gegenüberstand! Im selben Augenblick hallte der Name »Eleanor« in voller Lautstärke durch das Gebäude, wodurch seine Tochter erst von seiner Anwesenheit in Kenntnis und Catherine in unaussprechlichen Schrecken versetzt wurde. Instinktiv machte sie bei seinem Anblick den Versuch, sich zu verstecken, aber es bestand wenig Hoffnung, dass sie seinem Blick entgangen war, und als ihre Freundin mit einem entschuldigenden Blick hastig an ihr vorbeieilte und mit ihrem Vater verschwand, suchte sie Schutz in ihrem eigenen Zimmer, schloss sich ein und konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemals wieder die Kühnheit haben würde, hinunterzugehen. Sie blieb mindestens eine Stunde in grenzenloser Erregung, bedauerte zutiefst die Lage ihrer armen Freundin und erwartete jeden Augenblick eine Vorladung von dem erzürnten General, ihn in seinem Zimmer aufzusuchen. Aber die Vorladung kam nicht, und als sie schließlich einen Wagen vor dem Kloster vorfahren sah, hatte sie den Mut, hinunterzugehen und ihm im Schutze des Besuchs unter die Augen zu treten. Im Frühstückszimmer ging es lebhaft zu, und mit einer Verbindlichkeit, die seinen unversöhnlichen Zorn so gut verbarg, dass sie ihrer Meinung nach vorläufig nicht um ihr Leben zu fürchten brauchte, wurde sie den Anwesenden vom General als die Freundin seiner Tochter vorgestellt. Und als Eleanor mit einer Beherrschtheit, die ihren schwärzesten Vorstellungen von seinem Charakter alle Ehre machte, die erste Gelegenheit ergriff, um ihr zu sagen, »Mein Vater wollte nur, dass ich einen Brief beantworte«, begann sie Hoffnung zu schöpfen, dass der General sie entweder gar nicht gesehen hatte oder man sie aus diplomatischen Erwägungen in diesem Glauben ließ. Diese Gewissheit gab ihr den Mut, auch als der Besuch gegangen war, in seiner Gegenwart zu bleiben, und es kam weiter keine Störung vor.
    Die Überlegungen, die sie im Laufe des Vormittags anstellte, ließen den Entschluss in ihr reifen, den nächsten Anschlag auf die verbotene Tür allein zu machen. Es war in jeder Hinsicht besser, wenn Eleanor nichts von der Sache wusste. Sie tat ihrer Freundin keinen Gefallen damit, sie der Gefahr einer zweiten Entdeckung auszusetzen, sie in ein Zimmer zu führen, dessen Anblick ihr das Herz zerreißen musste. Selbst die äußerste Wut des Generals konnte ihr nicht so viel anhaben wie der eigenen Tochter, und außerdem versprach sie sich mehr von der Untersuchung, wenn sie sie ohne Begleitung unternahm. Unmöglich konnte sie Eleanor in den Verdacht einweihen, von dem sie aller Wahrscheinlichkeit nach zu ihrem Glück bisher nichts geahnt hatte, noch konnte sie in ihrer Gegenwart nach Beweisen für die Grausamkeit des Generals suchen, die sie, auch wenn sie bisher unentdeckt geblieben waren, in Form eines bis zum letzten Atemzug geführten Tagebuchfragments ans Licht zu bringen gedachte. Der Weg zu Mrs. Tilneys Zimmer war ihr nun vollkommen vertraut, und da sie die Sache vor der Rückkehr Henrys hinter sich bringen wollte, der am nächsten Vormittag zurückerwartet wurde, durfte sie keine Zeit verlieren. Der Tag war schön, ihr Mut war groß. Um vier Uhr stand die Sonne zwei Stunden über dem Horizont, und sie brauchte sich nur eine halbe Stunde früher als gewöhnlich zum Umziehen zurückzuziehen.
    So geschah es, und Catherine fand sich, bevor die Uhren aufgehört hatten zu schlagen, allein in der Galerie. Sie hatte keine Zeit, sich zu besinnen, hastete weiter, schlüpfte, so lautlos es ging, durch die Flügeltüren und stürzte, ohne sich umzudrehen oder Atem zu holen, auf die fragliche Tür zu. Glücklicherweise ohne einen dumpfen Ton, der irgendein menschliches Wesen hätte alarmieren können, gab die Klinke nach. Auf Zehenspitzen trat sie ein, das Zimmer lag vor ihr, aber es dauerte ein paar Minuten, bis sie einen Schritt vorwärtsmachen konnte. Was sie

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