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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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schritt, da schien ihr die Gefahr, ihm Unrecht zu tun, so gut wie ausgeschlossen. So wirkte, so verhielt sich ein Montoni! 32 Was hätte deutlicher das düstere Grübeln eines Menschen verraten können, in dem noch nicht jede menschliche Regung erstorben war und vor dessen innerem Auge die Szenen früherer Vergehen vorüberglitten. Unglückseliger Mann! Und in ihrer inneren Erregung ließ sie ihre Augen so oft zu seiner Gestalt wandern, dass es Miss Tilney schließlich auffiel. »Mein Vater«, flüsterte sie, »wandert häufig so durchs Zimmer. Daran ist nichts Außergewöhnliches.«
    ›Um so schlimmer!‹, dachte Catherine. Diese unangebrachten Wanderungen passten zu dem merkwürdig gewählten Zeitpunkt seiner Morgenspaziergänge und ließen nichts Gutes ahnen.
    Nach einem solchen Abend, dessen Eintönigkeit und Endlosigkeit sie Henrys Bedeutung für ihre Gesellschaft doppelt empfinden ließ, war sie von Herzen froh, sich zurückziehen zu dürfen, obwohl der Blick, mit dem der General seine Tochter zur Klingel schickte, nicht für ihre Aufmerksamkeit bestimmt gewesen war. Als der Diener jedoch die Kerze seines Herrn anzünden wollte, wurde es ihm untersagt. Er habe noch nicht die Absicht, sich zurückzuziehen. »Ich muss noch allerlei Artikel zu Ende lesen«, sagte er zu Catherine, »bevor ich mich zur Ruhe legen kann, und mache mir vielleicht noch Gedanken über die Angelegenheiten der Nation, während Sie schon stundenlang schlafen. Könnten wir beide eine geeignetere Beschäftigung finden? Meine Augen werden sich müde lesen für das Wohl anderer und Ihre sich ausruhen für zukünftige Abenteuer.«
    Aber weder die angebliche Arbeit noch das großartige Kompliment konnten Catherine von dem Gedanken abbringen, dass etwas ganz anderes hinter einem so schwerwiegenden Hinauszögern wohlverdienten Schlafes steckte. Dass ihn Stunden, nachdem die Familie zu Bett gegangen war, alberne Artikel wach hielten, klang nicht sehr überzeugend. Dafür musste es einen tieferen Grund geben. Es gab etwas zu erledigen, was sich nur erledigen ließ, wenn das ganze Haus schlief, und die Schlussfolgerung, dass Mrs. Tilney, aus unerfindlichen Gründen eingesperrt, noch lebte und Nacht für Nacht ihre kärgliche Mahlzeit aus den gnadenlosen Händen ihres Mannes empfing, drängte sich ihr unweigerlich auf. Aber ein so erschreckender Gedanke war immer noch besser als ein grausam beschleunigter Tod, da sie nach dem natürlichen Gang der Dinge in absehbarer Zeit erlöst werden musste. Die Plötzlichkeit ihrer angeblichen Krankheit, die Abwesenheit ihrer Tochter und vermutlich auch ihrer anderen Kinder zu jenem Zeitpunkt – alles legte die Wahrscheinlichkeit einer Gefangenschaft nahe. Die Ursache – Eifersucht vielleicht oder willkürliche Grausamkeit – musste noch enträtselt werden.
    Während sie sich diese Dinge beim Ausziehen durch den Kopf gehen ließ, ging ihr plötzlich auf, dass sie morgens womöglich dicht an der Stelle vorbeigegangen war, wo die unglückselige Frau gefangen gehalten wurde; dass sie womöglich ein paar Schritte von der Zelle entfernt gewesen war, wo sie ihrem Tod entgegenschmachtete, denn welcher Teil des Klosters war besser geeignet für einen solchen Zweck als der, der noch die Spuren klösterlicher Abgeschiedenheit trug? In dem hohen gotischen, mit Stein gepflasterten Gewölbegang, den sie gleich mit einem gewissen Schaudern betreten hatte, erinnerte sie sich genau an die Türen, die der General gänzlich übergangen hatte. Was mochte sich hinter diesen Türen nicht alles verbergen! Zur Bestätigung der Wahrscheinlichkeit dieser Vermutung fiel ihr außerdem ein, dass die verbotene Galerie, an der die Zimmer der unglückseligen Mrs. Tilney lagen, wenn ihr Gedächtnis sie nicht völlig täuschte, direkt über dieser verdächtigen Zellenreihe liegen musste, und die Treppe neben diesen Zimmern, die sie im Vorbeigehen flüchtig gesehen hatte und die einen geheimen Zugang zu diesen Zellen bot, die grausamen Machenschaften ihres Ehemannes begünstigt haben mochten. Und über diese Treppe war sie vermutlich im Zustand kaltblütig geplanter Bewusstlosigkeit transportiert worden!
    Gelegentlich erschrak Catherine über die Kühnheit ihres eigenen Verdachts, und gelegentlich hoffte oder fürchtete sie, dass sie zu weit gegangen war. Aber der Anschein bestätigte ihn so sehr, dass er sich nicht von der Hand weisen ließ.
    Da der Flügel des Klostervierecks, in dem sie die verbrecherischen Vorgänge vermutete, ihrer Meinung

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