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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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sah, hielt sie auf einen Fleck gebannt und erschütterte sie bis ins Innerste. Vor ihr lag ein großer gutproportionierter Raum, ein stattliches, unbenutztes und von einem der Mädchen mit Sorgfalt gemachtes Bett, ein moderner heller Kamin, Mahagonischränke und hübsch gestrichene Stühle, auf denen die warmen Strahlen der Nachmittagssonne lagen, die durch zwei Schiebefenster fielen. Catherine hatte damit gerechnet, in Erregung versetzt zu werden, und erregt war sie durchaus! Zuerst wurde sie von Überraschung und Zweifel überfallen, dann regte sich ihr gesunder Menschenverstand, und sie empfand tiefste Scham. Sie konnte sich im Zimmer nicht geirrt haben, aber wie sehr hatte sie sich in allem anderen, sowohl was Miss Tilneys Worte als was ihre eigenen Vermutungen anging, geirrt! Nun stellte sich heraus, dass dieses Zimmer, dem sie ein solches Alter, eine solch schreckliche Lage angedichtet hatte, am anderen Ende des Flügels lag, den der Vater des Generals hatte bauen lassen. Das Zimmer hatte noch zwei Türen, die vermutlich in Ankleideräume führten, aber sie spürte kein Verlangen, sie zu öffnen. Würde sich der Schleier, unter dem Mrs. Tilney zuletzt gewandelt, oder das Buch, das sie zuletzt gelesen hatte, noch finden lassen, um zu verraten, wovon alles andere schweigen musste? Nein, worin die Verbrechen des Generals auch bestanden haben mochten, er war zweifellos zu gewitzt, um sich so auf die Schliche kommen zu lassen. Sie war das Auskundschaften leid, wäre am liebsten allein mit sich und ihrer eigenen Torheit wohlbehalten in ihrem Zimmer gewesen und war im Begriff, sich so leise, wie sie eingetreten war, zurückzuziehen, als das Geräusch von Schritten – sie wusste kaum, woher – sie innehalten und zittern ließ. Hier von einem der Diener entdeckt zu werden, wäre peinlich, vom General (der immer dort auftauchte, wo man ihn am wenigsten gebrauchen konnte) nicht auszudenken gewesen! Sie lauschte – das Geräusch war verstummt, und entschlossen, keine Zeit zu verlieren, schlüpfte sie durch die Tür und zog sie hinter sich zu. In dem Moment wurde unter ihr hastig eine Tür geöffnet, und jemand schien mit schnellen Schritten die Treppe heraufzukommen, an deren Absatz sie noch vorbei musste, wenn sie die Galerie erreichen wollte. Sie war unfähig, sich zu rühren. Von unbestimmtem Entsetzen gepackt, starrte sie wie gebannt auf die Treppe, und einen Augenblick später tauchte Henry vor ihr auf.
    »Mr. Tilney!«, rief sie mit übermäßigem Erstaunen. Er machte ebenfalls ein erstauntes Gesicht. »Großer Gott«, fuhr sie fort, ohne seinen Gruß zu erwidern, »wie kommen Sie hierher? Wie kommen Sie die Treppe herauf?«
    »Wie ich die Treppe heraufkomme?«, entgegnete er einigermaßen überrascht. »Weil es der nächste Weg vom Stall zu meinem Zimmer ist. Warum sollte ich nicht hier heraufkommen?«
    Catherine besann sich, wurde über und über rot und wusste nicht, was sie sagen sollte. Er schien in ihrem Gesicht nach der Erklärung zu suchen, die sie nicht über die Lippen bringen konnte. Sie ging weiter auf die Galerie zu. »Und darf ich meinerseits nicht fragen«, sagte er und stieß die Flügeltüren auf, »wie
Sie
hierhergekommen sind? Dieser Gang ist eine mindestens ebenso ungewöhnliche Verbindung vom Frühstücksraum zu ihrem Zimmer wie die Treppe vom Stall zu meinem.«
    »Ich war«, sagte Catherine und sah zu Boden, »im Zimmer Ihrer Mutter.«
    »Im Zimmer meiner Mutter! Gibt es dort etwas Außergewöhnliches zu sehen?«
    »Nein, gar nicht. – Ich dachte, Sie wollten erst morgen zurückkommen?«
    »Ich hatte nicht damit gerechnet, eher zurückkommen zu können, als ich losfuhr, aber vor drei Stunden gab es zu meiner Freude plötzlich nichts mehr, was mich zurückhielt. – Sie sehen blass aus. Ich fürchte, ich habe Ihnen einen Schreck eingejagt, als ich so schnell die Treppe heraufkam. Vielleicht wussten Sie nicht, hatten Sie keine Ahnung, dass sie von den Wirtschaftsräumen hier heraufführt?«
    »Nein. – Sie hatten schönes Wetter bei Ihrem Ritt?«
    »Sehr schönes. – Und lässt Eleanor Sie ganz allein Ihren Weg in alle Räume des Hauses finden?«
    »O nein, sie hat mir den größten Teil am Sonnabend gezeigt, und wir waren auf dem Weg zu diesen Zimmern, nur …« (sie senkte die Stimme), »Ihr Vater war bei uns.«
    »Und das hat Sie abgehalten«, sagte Henry und betrachtete sie ernsthaft. »Haben Sie alle Zimmer auf diesem Flur gesehen?«
    »Nein, ich wollte nur … Ist es nicht schon sehr

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