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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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und prachtvoll eingerichtet waren. Alles, was man mit Geld und Geschmack an Bequemlichkeit und Eleganz erreichen kann, war an diese Räume verschwendet worden, und da sie erst während der letzten fünf Jahre möbliert worden waren, hatten sie alles, was allgemeinen Anklang finden, und entbehrten alles, was bei Catherine auf Interesse stoßen konnte. Als sie das letzte Zimmer besichtigten, ließ der General die Namen von ein paar hochgestellten Persönlichkeiten fallen, die ihnen gelegentlich die Ehre gegeben hatten, wandte sich mit lächelnder Miene an Catherine und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass unter den nächsten Bewohnern bald »unsere Freunde aus Fullerton« sein möchten. Sie wusste das unerwartete Kompliment zu schätzen und bedauerte von Herzen, dass sie außerstande war, eine gute Meinung von einem Mann zu haben, der ihr so wohlgesonnen und ihrer ganzen Familie gegenüber so voller Höflichkeit war.
    Die Galerie wurde von Flügeltüren abgeschlossen, die Miss Tilney im Vorausgehen aufgestoßen und passiert hatte, und sie schien im Begriff, die erste Tür auf ihrer Linken öffnen zu wollen, die an einer weiteren langgestreckten Galerie lag, als der General sie einholte, hastig, und wie Catherine fand, ziemlich ärgerlich zurückrief und von ihr wissen wollte, wohin sie denn gehe. Was es denn noch zu sehen gebe? Hatte Miss Morland denn nicht alles Sehenswerte besichtigt? Und glaubte sie nicht auch, dass ihre Freundin sich über eine Erfrischung nach so viel Bewegung freuen würde? Miss Tilney trat sofort zurück, die schweren Türen schlossen sich vor der enttäuschten Catherine, die mit einem raschen Blick eine noch schmalere Galerie, noch mehr Türen und den Anfang einer Wendeltreppe erkannte und sich endlich in greifbarer Nähe von etwas wirklich Sehenswertem glaubte, und fand, als sie widerstrebend denselben Weg zurückschritt, dass sie gerne auf alle Kostbarkeiten im restlichen Haus verzichtet hätte, wenn sie statt dessen diesen Teil des Gebäudes auskundschaften dürfte. Das offensichtliche Bedürfnis des Generals, eine solche Erkundigung zu verhindern, machte die Sache doppelt reizvoll. Hier sollte doch bestimmt etwas geheim gehalten werden. Obwohl ihre Phantasie in letzter Zeit ein- oder zweimal mit ihr durchgegangen war, konnte sie sich hier nicht irren, und was dieses »Etwas« war, schien ein kurzer Satz von Miss Tilney anzudeuten, als sie dem General in einigem Abstand die Treppe hinunterfolgten: »Ich wollte Ihnen das Zimmer meiner Mutter zeigen, das Zimmer, in dem sie starb«, war alles, was sie sagte. Aber wenn es auch nicht viel war, sprachen diese Worte für Catherine doch Bände. Es war kein Wunder, dass der General vor Dingen zurückschrak, die das Zimmer enthalten musste, ein Zimmer, das er höchstwahrscheinlich nie wieder betreten hatte, seit sich jene entsetzliche Szene abgespielt hatte, die seine Frau von ihren Leiden erlöst und ihn seinen Gewissensbissen überantwortet hatte.
    Als sie das nächste Mal mit Eleanor allein war, gab sie ihr vorsichtig zu verstehen, wie gerne sie das Zimmer und diesen ganzen Flügel des Hauses gesehen hätte, und Eleanor versprach ihr, sie zu begleiten, wenn sich eine geeignete Gelegenheit ergeben sollte. Catherine verstand sie: Der General musste das Haus unter ihren Augen verlassen haben, bevor sie das Zimmer betreten konnten. »Alles ist noch so wie früher, nehme ich an«, sagte sie voller Mitgefühl.
    »Ja, ganz und gar.«
    »Und vor wie langer Zeit ist Ihre Mutter gestorben?«
    »Sie ist seit neun Jahren tot.« Und neun Jahre waren, wie Catherine wusste, nichts, gemessen an dem Zeitraum, der gemeinhin nach dem Tode einer misshandelten Frau verstrich, bevor ihr Zimmer wieder benutzt wurde.
    »Und Sie waren bis zum letzten Atemzug bei ihr, nehme ich an?«
    »Nein«, sagte Miss Tilney mit einem Seufzer, »ich war unglücklicherweise abwesend von zu Hause. Ihre Krankheit war plötzlich und kurz, und bevor ich zurückkam, war alles vorbei.«
    Catherine stockte das Blut in den Adern bei den grässlichen Ahnungen, die sich ihr bei diesen Worten wie von selbst aufdrängten. War es möglich? War es möglich, dass Henrys Vater …? Und doch, wie zahlreich waren die Beispiele, die sogar den schwärzesten Verdacht rechtfertigten! Und als sie ihn abends, während sie mit ihrer Freundin beim Handarbeiten saß, beobachtete, wie er eine Stunde lang schweigend in Gedanken versunken mit gesenktem Blick und gekrauster Stirn langsam im Wohnzimmer auf und ab

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