Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Schatten geparkt hatte, und wunderte sich, dass
Escherlich immer noch im Wagen saß.
»Was ist los, Peter? An die Arbeit!«
»Äh, entschuldige Werner. Aber mir ist irgendwie schlecht.«
Escherlich sah wirklich nicht besonders gut aus. Irgendwie müde,
übernächtigt. Doch Klotz wusste genau, dass der Grund für die plötzliche
Übelkeit seines Kollegen ganz woanders zu suchen war. Er beschloss, Escherlich
im Wagen sitzen zu lassen und die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Klotz betrachtete das Wohnhaus. Zwischen den Holzbalken des
fränkischen Fachwerks fehlte an nicht wenigen Stellen der Putz. Darunter
blickte ein verwahrlostes Geflecht aus Stroh und Bast hervor. Ein großes
Fenster gab durch ein paar schäbige gelbe Gardinen den Blick auf eine Spüle,
Tisch und Stühle frei. Er klopfte, erhielt aber keine Antwort. Er ging rüber
zur Scheune. Auch dort kein Anzeichen für menschliches Leben. Zwischen ihr und
dem Wohnhaus befand sich ein Durchgang, ein Trampelpfad, der in einen hinteren,
nicht einsehbaren Bereich führte.
Klotz, der beschlossen hatte, es mal mit diesem Weg zu versuchen,
zog seine eben fertig gedrehte Zigarette wieder aus dem Mund, da es ihm nicht
passend erschien, eine Todesnachricht rauchend zu überbringen. Merkwürdig: Er
hatte die Zigarette nicht angezündet, und trotzdem roch es nach Rauch. Er ging
an dem Wohnhaus entlang, an einem Rechen und einer Mistgabel vorbei, blickte
nach vorn, hinüber zu einem verrosteten VW -Käfer, der von Gras und Brennnesseln überwuchert unter einem kahlen Obstbaum
vor sich hin dümpelte, und sah, nachdem er die Hausecke hinter sich gelassen
hatte, auf den spärlich befiederten Hinterkopf eines Mannes, der in einem
Klappstuhl saß und von schwer qualmenden Rauchschwaden umgeben war. Eine dürre,
sehnige Hand nahm ein Scheit von einem kleinen Holzhaufen und warf das Stück in
das Feuer.
»Na, mai Bou? Bissd endli dou? Hob scho auf di gward. Alles Goude
zum Geburdsdooch, mai Klaaner!«, brummte der Alte das Feuer an.
In der anderen Hand hatte er eine Flasche Forchheimer Kellerbier,
aus der er einen kräftigen Schluck nahm. Der Mann starrte in das Feuer, aus dem
ein paar frische Funken stoben.
»Entschuldigung, wenn ich störe.«
Mit einem Ruck sprang der Mann auf und sah verdutzt in Klotz’ nicht
minder erschrockene Miene.
»Wer san Sie? Wos mochn Sie in meim Gardn? Schau zou, dassd
verschwindsd!«
»Ich bin nicht freiwillig hier, Herr Gummler. Klotz, mein Name.
Kriminalpolizei Nürnberg.«
Das Gesicht des Mannes entspannte sich etwas, um sogleich einen
leicht nachdenklichen Ausdruck anzunehmen.
»Däi Kribbo? Is wos middn Dorstn? Hodd er wos oogschdelld?«
»Nein, nein. Beiben Sie ruhig. Setzen Sie sich wieder hin.«
Der Klappstuhl, auf dem sich Klotz unaufgefordert niedergelassen
hatte, war mit der gleichen blumenmusterbedruckten Kunstfaser überzogen wie
der, auf dem der alte Gummler hockte. Wortlos bekam Klotz eine Flasche von dem
Kellerbier gereicht. Er wusste nicht recht, was er mit ihr anfangen sollte, so
ganz ohne Öffner, und schaute sich um. Gummler nahm sie ihm wieder ab, setzte
ein Holzscheit unter den Verschluss und ließ den Deckel in die Luft schnalzen.
Aus dem Feuer hörte man ein blechernes Geräusch.
»Hat Ihr Sohn ein Auto?«, fragte Klotz und nahm das Bier in Empfang.
Es hatte ihn ein wenig Überwindung gekostet, das Präsens zu benutzen
und nicht das Präteritum.
»Naa, der hodd kaa Audo. Den Käfer dou driem, den wolld er widder
herrichdn. Iss ober nix draus worn.«
»Soso. Hm.«
Klotz war aufgestanden und zu dem Käfer hinübergegangen. Durch die
beschlagenen Scheiben konnte er in den Wagen sehen, in dem orientierungslose
Fliegenschwärme eine sinnlose Flugshow veranstalteten. So ein verkackter
Winter! Nicht mal die Fliegen wollen krepieren!
»Ist ja noch ein ganz alter«, stellte Klotz fest.
»Baujoar neinafuzgg. Der hodd amool mieä ghärt.«
Klotz glotzte auf einen Haufen Pornohefte, der auf der Rückbank lag.
Der Geruch, wenn man die Wagentür öffnete. Der würde mich mal interessieren,
dachte er und schauderte.
»Und Ihr Sohn hat kein Auto? Vielleicht einen Golf?«
»Naa, hob i doch gsachd! Äan Golf? Hodd er ämol ghabd, des iss ober
scho a Zaid her.«
Gummler setzte das Bier an und trank. Der Gerstensaft gluckerte in
einem Tempo aus der Flasche, dass Klotz nur Klötze staunen konnte. Als Gummler
fertig war, sah er den Hauptkommissar mit unbestimmtem Blick an, rülpste laut
und ließ, wie um das Ritual
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