Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Lackner nüchtern.
»Hier. Dieser Fingernagel. Wenn du einfach nur mal die DNA isolieren könntest.«
»Kann ich machen. Kein Thema.«
»Und noch eine Bitte. Häng das Ganze erst mal nicht an die große
Glocke. Das bleibt unter uns.«
Lackner hatte seinen Kopf abgewandt und starrte wieder an die Decke.
Klotz legte die Streichholzschachtel, in der sich der Fingernagel befand, auf
den Tisch und ging. Einen schönen Abend noch!
Es war zehn nach sechs, als Klotz den Schlüssel im Schloss umdrehte.
Im Aufzug hatte er überlegt, was sich noch an halbwegs Essbarem in seinem
Kühlschrank befand. Gleich würde er ihn öffnen, eine Fertig-Currywurst
rausholen und in die Mikrowelle schieben. Dann würde er die aus den letzten Tabakskrümeln
gedrehte Zigarette anzünden und sich ein kühles Zirndorfer gönnen.
Seine Nase meldete sich wieder, und während er ein gebrauchtes
Papiertaschentuch aus der verdreckten Jackentasche holte, bekam er plötzlich
einen Hustenanfall. Das hörte sich gar nicht gut an. Na ja, vielleicht wären
ein Dampfbad und ein heißer Tee besser als eine Zigarette.
Als er eingetreten war, fragte er sich im ersten Moment, ob er sich
in der Tür geirrt hatte. Er erkannte die Wohnung nicht wieder. Der Teppich war
gesaugt, auf dem Tisch kein einziger Krümel, das gespülte Geschirr befand sich
in dem Hängeschrank über einer blitzblanken Spüle, von den Bodenfliesen hätte
man essen können.
Schnurstracks ging er zum Telefon.
»Ja, Mutter. Ich finde es ja toll, dass du bei mir sauber gemacht
hast, aber …«
»Das ist keine Selbstverständlichkeit! Andere Männer in deinem Alter
haben sich längst eine ordentliche Frau gesucht, die das für sie erledigt. Also
das nächste Mal, wenn ich wiederkommen und die Putzfrau für dich spielen soll,
dann möchte ich, dass du darum bittest.«
»Mutter. So war das doch jetzt gar nicht gemeint.«
»Und wie das aussieht bei dir! Ohne mich wärst du ja schon längst
untergegangen. Also wirklich asozial, man kann es nicht anders beschreiben.
Weißt du eigentlich, was ich unter dem Sofa gefunden habe?«
»Nein, Mama! Ich habe dich übrigens mit gutem Grund nicht darum
gebeten, bei mir sauber zu machen!«, äußerte Klotz jetzt in ärgerlichem Ton.
»Du bist unmöglich! Undank ist der Welten Lohn. Da sieht man es mal
wieder. Und das vom eigenen Sohn.«
»Mama. Könntest du jetzt bitte mal aufhören? Ich muss dich was
Wichtiges fragen!«
»So? Was denn?«
»Da waren zwei Akten. Die haben so einen dunkelgrünen Einband. Die
müssen neben dem Bett gelegen haben.«
»So? Soll das heißen, dass ich wieder deine Sachen verräumt habe?
Nur weil du nicht ordentlich haushalten kannst?«
»Mama! Wo sind diese Akten? Ich brauch die! Das ist wichtig!«
»Also, ich hab nichts weg. Wahrscheinlich weißt du selber nicht
mehr, wo du sie zuletzt hingelegt hast. Aber ist ja mal wieder typisch, dass
ich jetzt als Sündenbock herhalten muss.«
»Wo hast du diese Akten hingetan?«, fragte Klotz bestimmt.
»Da waren keine Akten. Ich frage mich, wer von uns beiden stärker
verkalkt ist. Du oder ich? Du kannst dich wieder melden, wenn du dich wieder
beruhigt hast.«
Verdammt noch mal! Das durfte doch nicht wahr sein! Sauber machen,
schön und gut. Aber es war immer das Gleiche. Jedes Mal fehlte irgendetwas
hinterher.
Klotz ging rüber zum Bücherregal und machte sich daran, nach den verschwundenen
Akten zu suchen.
Nach fast einer Stunde gab er schließlich auf. Zum Schluss hatte er
sogar noch den feuchten Grillkohlebeutel durchgesehen, der seit dem vergangenen
Sommer ein trauriges Dasein auf dem Balkon fristete. Hatte sich durch verschmierte
Pappteller und klebrige Becher aus billigem PVC gewühlt und registriert, dass so ein Stück Wurst ganz schön stinken konnte,
wenn es nicht beizeiten gegessen oder entsorgt wurde. Wütend warf er die
Plastikgabel, auf der das verrottete Fleisch steckte, zurück in den
Holzkohlesack. Das war selbst seiner Mutter zu eklig gewesen.
Er traf die Entscheidung, seine privaten Ermittlungen in den Fällen
Morvan und Lohofer ohne Akteneinsicht fortzuführen. Eines schönen Tages würde
er diese Akten wiederfinden, an einem Ort, wo er sie niemals vermutet hätte,
und seine Mutter würde behaupten, dass es keinen sinnvolleren
Aufbewahrungsplatz gebe. Und wenn er ein bisschen nachgedacht hätte …
Es war jetzt Viertel vor acht. Er beschloss, sich erst der Arbeit zu
widmen und dann das Vergnügen folgen zu lassen.
Bevor er die Staatsanwältin
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