Klotz, Der Tod Und Das Absurde
hatte und des betretenen Gesichtsausdrucks der Frau
Staatsanwältin gewahr geworden war, fragte er nach so etwas Banalem wie Feuer
für seine Zigarette. Während die Gulden ihm ihr Feuerzeug hinhielt, fragte sie:
»Herr Hauptkommissar. Eine Sache würde mich schon einmal
interessieren.«
»Ja bitte?«
»Wo haben Sie eigentlich diesen eindrücklichen Befragungsstil
erlernt? Bei der Stasi oder bei der Gestapo?«
Anstatt zu antworten, täuschte er einen Hustenanfall vor.
»Ich verbiete Ihnen hiermit in aller Form, Herrn Robert Müller in
der Angelegenheit Thorsten Gummler auch nur noch ein einziges Mal zu verhören!
Hören Sie? Schauen Sie mich gefälligst an, wenn ich mit Ihnen rede!«
Es klopfte. Lackners knochiger Schädel schob sich zwischen Zarge und
Tür, und er machte ein fragendes Gesicht. Nach einem »Herein!« von der Frau
Staatsanwältin erschien in einem gestärkten weißen Kittel der Rest des
Chefpathologen.
Es sah nicht gut aus. Von Laanschaf ließ er ausrichten, dass die
Schuhabdrücke des Verdächtigen nicht zu den sichergestellten Spuren am
unmittelbaren Tatort passten. Auch der Abgleich der Fingerabdrücke hatte nichts
gebracht.
»Egal. Entscheidend ist der DNA -Vergleich.
Ich mach eben meinen Abstrich, und morgen wissen wir mehr«, sagte der
Rechtsmediziner.
» DNA -Vergleich? Konnte
überhaupt Genmaterial vom Täter gesichert werden? Mir liegt kein Bericht vor,
der das erwähnt«, wunderte sich Gulden.
Als sie den Rechtsmediziner in den Verhörraum treten und ein
Stäbchen, an dessen Ende sich ein Wattebausch befand, aus der Tasche holen sah,
konnte sie sich nicht mehr zurückhalten:
»Klotz! Verdammt! Sie verheimlichen mir doch irgendetwas! Was geht
hier vor?«
»Nichts, gar nichts, Frau Staatsanwältin. Nur Routine. Damit wir das
Genmaterial von diesem Müller speichern können. Für Wiesbaden. Die große
Datenbank beim BKA . Sie verstehen?«
Klotz bereute es jetzt schon wieder, dass er Lackner gestern diesen
Fingernagel gegeben hatte. Man sollte einen Alkoholiker niemals um
Verschwiegenheit bitten, ging es ihm durch den Kopf, das hat eh keinen Zweck.
»Nein, Klotz! Ich verstehe gar nichts. Vor einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Mordes wird
nämlich gar nichts ans BKA GESCHICKT!«
Gulden war aufgestanden und rückte ihren Blazer zurecht. Klotz hörte
das Klappern ihrer Schuhe.
»Ich warne Sie, Klotz! Sie haben den Bogen längst überspannt. Wenn
Sie bis heute Abend nicht endlich alle Karten auf den Tisch gelegt haben,
entziehe ich Ihnen den Fall!«
Ja, meine gestrenge Herrin, dachte Klotz.
Er wollte gerade nach den Beamten rufen, die den Verdächtigen in
seine Zelle bringen sollten, da erschienen Haevernick und Zebisch.
Die Ausbeute ihrer fast sechsstündigen Befragung in Göring war mehr
als dürftig. Insgesamt hatten sie alle neunzehn Dorfbewohner befragt, abgesehen
von Alten, Kranken und Kindern.
Außer dem morgendlichen Krähen des Hahns auf dem Mist oder dem
Schnarchen des Nachbarn wollte niemand etwas gesehen oder gehört haben. Ein
neunundachtzigjähriges Weiblein hatte ihnen eine geheime Botschaft offenbart.
Ihr Nachbar sei Mitglied der afghanischen Taliban. Wahrscheinlich hatte sie der
Trachtenhut des Mannes auf diese Idee gebracht. Vielleicht war sie auch einfach
nur verrückt.
Klotz bat die beiden Kollegen, mit ins Hinterzimmer des Verhörraums
zu kommen.
Müller saß unverändert vor dem unberührten Glas Wasser.
»Also. Das ist er. Escherlich und ich haben uns schon an dem Kerl
versucht. Kein Sterbenswörtchen aus dem rauszukriegen. Ein harter Brocken.
Hoffentlich beißen wir uns an dem nicht die Zähne aus.«
Haevernick hatte sich hingesetzt. Zebisch stand an der Spiegelwand
und blickte interessiert auf den Verdächtigen.
»Na, Zebisch. Was ist mit Ihnen? Jetzt zeigen Sie mal, was Sie auf
der Polizeischule so gelernt haben. Wie schätzen Sie die Lage ein?«
»Hm. Schwierig. Ich würde sagen, der Täter verweigert sich einer
Konfrontation mit der Tat. Dadurch, dass er schweigt, möchte er das Geschehene
ungeschehen machen, völlig ausblenden sozusagen. Wenn er den Mord abstreiten
würde, dann würde er ihn schon als existent wahrnehmen. Komplette
Verweigerungshaltung. Dazu passt auch, dass er nichts von dem Wasser trinkt,
dass er es nicht mal anrührt oder anschaut. Trotzdem, er kann sein Gewissen
nicht unterdrücken. Er ist nicht cool genug. Erkennbar an seiner unbeweglichen
Haltung und dem Schwitzen. Früher oder später wird er gestehen.«
Klotz war
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