Klotz, Der Tod Und Das Absurde
lebenswichtigen Organen des Apparates herum. Nahm den Drucker in
beide Hände und rüttelte das Ding energisch hin und her.
»Mensch, hör auf damit!«, rief Klotz ihn zur Besinnung.
»Du verstehst ja wirklich gar nichts! Der Bericht muss um zwei auf
dem Schreibtisch vom Huber liegen, sonst gibt’s Ärger. Der macht Stress, Mann.
Weiß auch nicht, was mit dem los ist.«
»Wenn du den Drucker zerstörst, geht’s auch nicht schneller.«
Escherlich stellte das Gerät wieder ab, ging zu seinem Platz und
griff sich die Zigarettenschachtel.
»Sag mal, was war da überhaupt los auf der Pressekonferenz? Irgendwas
war da doch? Vorhin kam die Gulden rein. Hat gemeint, dass die Frist für die
Ermittlungen im Fall Gummler heute Abend abgelaufen ist. Superoffiziell, in
einem eiskalten Tonfall.«
»Die Pressekonferenz? War okay. Alles in Ordnung. Wieso?«, log
Klotz.
»Du hast doch da wieder irgendeinen Mist gebaut.«
»Unsinn. Die Gulden hat wahrscheinlich ihre Tage. Mehr nicht.«
»Na ja, vielleicht hast du ja recht.«
»Klar hab ich recht. Was hat sie denn genau gesagt?«
»Dass wir Beweise bringen müssen, die deine Mordhypothese belegen.
Wenn da nichts vorliegen sollte heute Abend, dann kannst du den Fall vergessen.
Dann war’s Selbstmord. Schluss, aus, Äpfel, Amen!«
Escherlich zündete sich eine Zigarette an. Klotz überlegte. Die
ersten zweiundsiebzig Stunden in einer Todesermittlung waren die wichtigsten
und mussten ermittlungstechnisch voll ausgeschöpft werden, das stand in jedem
Anfängerlehrbuch für zukünftige Kriminalkommissare. Nach Ablauf dieser
Zeitspanne standen die Chancen für eine schnelle Aufklärung sehr schlecht.
»Also los, Escherlich. Wir fahren!«, forderte Klotz seinen Kollegen
kurzerhand auf.
»Wie bitte? Und was ist mit meinem Bericht?«
»Diese Gummler-Geschichte hat jetzt Vorrang. Du hast es ja selber
gehört. Heute Abend ist die Frist abgelaufen.«
»Und was ist mit Huber?«
»Siehst du hier irgendeinen Huber? Ich bin hier dein Vorgesetzter,
dem du Folge zu leisten hast, und zwar augenblicklich!«
»Okay. Aber meine Zigarette rauch ich noch auf.«
»Nichts da«, Klotz war in seine beiden Strickjacken geschlüpft und
hatte die Türklinke in der Hand, »los geht’s!«
»Wo soll’s überhaupt hingehen?«
»Erfährst du schon noch früh genug.«
»Was machen wir denn hier ?«,
fragte Escherlich verwundert. Klotz gestand sich still und leise ein, dass ihm
einfach nichts Besseres eingefallen war, als noch mal zum Tatort rauszufahren.
Vielleicht war es Intuition, vielleicht war es Verlegenheit gewesen. Er war
sich da nicht sicher. Es gab einfach Tage, wo einen alles im Stich ließ, sogar
das eigene Bauchgefühl. Trotzdem musste es ja irgendwie vorangehen, und deshalb
der Tatort.
Escherlich schmierte sich an einem Stein gerade den Lehm von den
Schuhsohlen, als Klotz an ihm vorbeizog und in den Waldweg einbog.
Er war nur ein paar Schritte gegangen, als er plötzlich eine
ungewöhnliche Bewegung wahrnahm.
»Ist jetzt wenigstens das Rauchen hier erlaubt, Herr Vorgesetzter?«
Escherlich stand hinter ihm und hatte eine Zigarette zwischen den
Zähnen, die er gerade anzünden wollte.
»Ruhe!«, flüsterte Klotz aufgeregt und bedeutete seinem verdutzten
Kollegen, sich ins Unterholz zu begeben.
Klotz suchte das Terrain zwischen den Baumstämmen ab. Da. Da war sie
wieder. Diese huschende Bewegung. Er schritt rasch an das Absperrband heran.
»Hallo! Was machen Sie hier?«, rief er laut.
Der andere sah ihn kurz an. Dann begann er zu laufen. Klotz nahm
sofort die Verfolgung auf.
Das Unterholz krachte. Wieder wäre er beinahe ausgerutscht.
»Polizei! Stehen bleiben! Sofort! Oder ich schieße!«
Der Flüchtige machte keinerlei Anstalten, stehen zu bleiben. Im
Gegenteil. Jetzt lief er noch schneller. Klotz konnte kaum noch atmen. Seine
verteerten Lungen und die Erkältung meldeten sich zu Wort, und er verfluchte
sie beide.
Klotz zog seine Waffe aus dem Halfter und schoss in die Luft. Er
konnte den Mann nicht mehr richtig sehen, nur noch ein paar hastige Bewegungen,
die durch das Holz flatterten. Er schoss ein zweites Mal in den grauen
Dezemberhimmel. Dann hörte er ein Geräusch, das von einem Schlag herrühren
musste. Das gleiche Geräusch noch mal. Ein angestrengtes, lang gezogenes
Ächzen. Dann ein kurzer, schriller Schrei.
»Du blödes Arschloch! Jetzt gib endlich auf! Sonst muss ich dich
erschießen!«, schrie Escherlich wutentbrannt.
Klotz schleppte sich, so schnell es
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