Klotz, Der Tod Und Das Absurde
weich, im Winter hart und schneidend. Musste mit der
Temperatur zusammenhängen, dem Luftdruck oder der Feuchtigkeit. Irgendwie. Na
ja, vielleicht kam es einem ja auch nur so vor.
Er öffnete die Augen. Setzte sich in den Opel und ärgerte sich
darüber, dass er ganz umsonst zum Untersuchungsgefängnis gefahren war. Fröhling
hatte in der Nacht einen Selbstmordversuch unternommen. Jetzt lag er auf der
Krankenstation und war natürlich nicht vernehmungsfähig.
Klotz wollte gerade den Wagen starten, als das Handy klingelte.
»Hallo, Melanie … Ja, du hast recht … Heute Abend? Ja, passt mir
gut. Sagen wir, um sieben? … Gut. Ich komme. Bis dann … Ja, ich dich auch.«
Er sah auf die Uhr. Zwanzig vor eins. Okay. Also, auf zu diesen
Kaumanns. Aber vorher würde er noch essen gehen. Nur nicht zu diensteifrig,
sonst würde der Herr Einsatzleiter Escherlich womöglich noch auf dumme Gedanken
kommen.
»Verdammte Scheiße! Das darf doch nicht wahr sein!«
Klotz trat mit seinen abgelatschten Lederschuhen gegen den rechten
Kotflügel des Wagens. Einige Passanten drehten sich kurz nach ihm um, liefen
dann aber schnell weiter, nachdem sie seinem Blick begegnet waren.
Der Opel spurte mal wieder nicht. Und diesmal schien es sich um ein
größeres Problem zu handeln. Unter der Motorhaube dampfte ordentlich Qualm
hervor, und die Temperaturanzeige leuchtete rot. Warum bloß hatte er dieses
bescheuerte Lämpchen nicht rechtzeitig bemerkt?
Er war gerade noch so auf einen Parkplatz am Straßenrand gerollt,
einen Behindertenparkplatz zwar, aber egal. Schließlich war er Polizist und
darüber hinaus im Einsatz. Im Prinzip war ihm der Auftrag, den ihm der
frischgebackene Einsatzleiter übertragen hatte, scheißegal. Außer ihm selbst
verstand in diesem Verein doch sowieso keiner die wahren Hintergründe und
Zusammenhänge der Mordfälle, die sich in den letzten zwei Wochen ereignet
hatten. Gut, er selbst verstand sie auch nicht, aber ihm war zumindest bewusst,
dass da Querverbindungen bestanden, die ein Herr Kommissar Escherlich nie sehen
würde. Folglich war es völlig wurscht, ob er jetzt die Angehörigen von diesem
Kaumann informieren und vernehmen würde oder nicht.
Auf der Straßenseite gegenüber befand sich ein heruntergekommenes
einstöckiges Gebäude zwischen einer Tankstelle und einem Getränkemarkt. Über
dem großen Fenster der Hütte stand: »Charlie Chaplin – Pizzaservice«, was Klotz
ein wenig sonderbar fand. Dennoch beschloss er, dort erst mal seinen Hunger zu
stillen. Alles andere konnte warten.
Der Laden war mehr als schäbig. Nachdem er sich an einen wackeligen
Kunststofftisch gesetzt hatte, blickte er in eine verdreckte Glühbirne, die
bedrohlich über seinem Kopf baumelte. An einer Wand klebte ein Poster von Che
Guevara, dessen rechte obere Ecke sich abgelöst hatte und dem Revolutionsführer
genau in das linke Auge hing.
Toller Laden, dachte Klotz und drehte sich erst mal eine. Dann nahm
er sich die »Nürnberger Nachrichten«, die auf dem Tisch gegenüber lagen.
»Was darf ich Ihnen bringen?«, fragte die Bedienung, die irgendwie
indisch aussah.
Klotz fragte sich für einen Moment, wie dieses Indische zu Charlie
Chaplin und dem Che passte. Wurde sich bewusst, dass er in einer globalisierten
Welt lebte, und schob seinen bornierten Gedanken beiseite.
»Einen Sauerbraten und ein dunkles Tucher bitte.«
Die Frau machte ein ratloses Gesicht.
»Sauerbraten, so etwas haben wir hier nicht.«
»Gut. Dann irgendwas in der Art halt.«
Das Bier kam pünktlich zum ersten Zug an der Zigarette. Klotz nahm
drei ordentliche Schlucke und wandte sich der Zeitung zu. Nach ein paar Minuten
kam eine Pizza con Würstel, und Klotz begann zu essen.
Gar nicht so schlecht, dachte er, als er in die Pizza hineingebissen
hatte. Dann überlegte er, ob das der Kopf einer Kakerlake gewesen war, der da
eben aus einem Schlitz zwischen zwei verdreckten Bodenfliesen geschaut hatte.
Vielleicht nur Einbildung, beruhigte er sich und schob ein zweites Stück von
der Pizza in seinen Mund.
Es klingelte. Er legte das Messer aus der Hand und stöberte in
seiner Jackentasche herum. Als er das Handy gefunden hatte, sah er aufs
Display. Escherlich. Er legte das klingelnde Handy auf die Zeitung und aß
weiter.
Ihm fiel der kaputte Wagen wieder ein und dass er für dieses Problem
eine Lösung würde finden müssen. Wenn er mit der Pizza fertig wäre, dann würde
er sich noch einen Kaffee und eine Zigarette gönnen und dann vielleicht mal
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