Klotz, Der Tod Und Das Absurde
den
polizeiinternen Pannendienst anrufen. Ja genau, so würde er es machen.
Das Handy hatte vielleicht zehn Sekunden geschwiegen, als es erneut
zu läuten begann. Das Display zeigte eine unbekannte Nummer an, und Klotz
überlegte, ob es Escherlich jetzt auf diese Tour versuchen wollte. Schließlich
entschloss er sich, abzuheben, auch auf die Gefahr hin, dass der Herr
Einsatzleiter dran sein konnte.
»Klotz … ach, Frau Schulze … können Sie vielleicht etwas langsamer
reden? Ich verstehe Sie kaum … Was? Zwei Polizisten sind bei Ihnen zu Hause? …
Was machen die? … Warten Sie! Ja! Ich komme sofort vorbei. Machen Sie sich
keine Sorgen. Ich bin sofort bei Ihnen!«
Er warf einen kurzen Blick auf den Che Guevara. Stand auf und lief
auf die Straße. Als er bei dem Wagen angelangt war, überlegte er, ob er nach
dem Motor sehen sollte. Der Qualm, der aus dem Motorraum entwichen war, war
verschwunden. Er stieg ein und ließ den Wagen an. Nachdem er den Rückwärtsgang
eingelegt hatte, gab er Gas und ließ die Kupplung kommen.
Der Opel stand schon halb auf der Straße, als es einen lauten Knall
gab. Klotz sah nach vorn und sah nichts. Besser gesagt, er sah in eine dichte
schwarze Rauchwolke.
Mit Hilfe eines Passanten hatte er das Auto zurück auf den
Behindertenparkplatz geschoben. Von der Tankstelle her sah er eine drahtig
aussehende Person im Blaumann auf sich zukommen. Der junge Kfz-Mechaniker
brauchte keine zwei Minuten, um seine treffsichere Diagnose zu stellen.
»Kolbenfressä. Des konnsd vergessn.«
Der Kfzler warf Klotz einen geschäftigen Blick zu und fragte mit
vorwurfsvollem Unterton: »Host du nedd nachm Öl gschaud?«
Klotz fühlte sich zu müde und zu resigniert, um jetzt sauer zu
werden. Er hätte dem Mann natürlich die ganze Geschichte erzählen können, hätte
dem Herrn aus der freien Wirtschaft die Schlampereien, die in einem staatlichen
Betrieb namens Polizei gang und gäbe waren, im Detail aufdröseln können, aber
er begnügte sich damit, auf das blaue Parkplatzschild mit dem weißen Rollstuhl
zu deuten, und antwortete lapidar:
»Behindert.«
»Ach so.«
Die Miene des Mechanikers nahm einen schuldbewussten Ausdruck an.
»Miä känna den Wong aa nieber zu uns aff däi Tangstelln dou, wenns
recht iss.«
Klotz schüttelte den Kopf, machte eine abwehrende Geste. Dann
bedankte er sich für die Hilfe, und der Blaumann ging zurück zu seiner
Tankstelle.
Der fragt sich jetzt bestimmt, was ich für eine Behinderung hab,
dachte Klotz und sah dem Mechaniker hinterher. Ich bin ein unverbesserliches
Bullenschwein, das ist meine Behinderung. Er kramte seinen Tabak hervor.
Was nun?, überlegte er nach ein paar Zügen. Er musste zu dieser Frau
Schulze, das war klar.
Er beschloss, sich ein Taxi zu rufen. Also rief er bei der
Taxizentrale an. Er nannte Ausgangspunkt und Zielort.
»Sie sind in Schafhof und wollen nach Stein? Vergessen Sie’s! Am
Westtor ist ein Lkw mit Gefahrengut umgekippt. Totalsperrung. Und an der
Baustelle in der Schweinauer Straße ist alles dicht«, klärte ihn die Dame von
der Taxivermittlung auf.
»Wie bitte? Das darf doch nicht wahr sein!«
»Ich kann Ihnen natürlich einen Wagen schicken, aber rechnen Sie mit
einer Fahrzeit von mindestens zwei Stunden, bis Sie da sind, wo Sie hinwollen.«
»Machen Sie sich keine Mühe. Auf Wiederhören.«
Was war da los? Was zum Teufel noch mal hatte er verbrochen, dass
ihn das Leben so hasste? Es half alles nichts. Irgendwie musste er zu Frau
Schulze, koste es, was es wolle. Und wenn nicht er dorthin konnte, dann … Nein,
das ging auch nicht. Schließlich war da ja dieser Maulwurf irgendwo im Apparat.
Das Risiko wäre einfach zu groß.
Klotz saugte nervös an seiner Zigarette herum.
Wie er es auch drehte und wendete: Es würde ihm nichts anderes übrig
bleiben, als jemanden zu schicken. Er würde seinen vor ein paar Stunden
aufgestellten Grundsatz brechen müssen.
Und wenn er den Falschen, den Maulwurf, wählen würde? Bei seinem
Glück wäre das durchaus denkbar. Ein bisschen Vertrauen in das Schicksal musste
man schon haben, beruhigte er sich selbst. Und er dachte weiter, dass das
angesichts dessen, was ihm heute so alles passiert war, ziemlich schwierig
werden würde, das mit dem Vertrauen. Und dennoch.
Er zog sein Handy aus der Tasche und wählte Haevernicks Nummer.
»Ja, hallo, ich bin’s. Werner. Wo bist du denn? … Sehr gut … Hör zu,
ich brauche deine Hilfe. Du musst nach Stein rausfahren, Jagdweg 35. Da wohnt
eine
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