Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Klotz, Der Tod Und Das Absurde

Titel: Klotz, Der Tod Und Das Absurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Klier
Vom Netzwerk:
da wohl etwas übersehen hatte. Dann fiel ihm
wieder ein, wie ihm diese Inflation des Symbol- und Zeichenhaften während der
Ermittlungen auf den Geist gegangen war und dass er die Nase davon gestrichen
voll hatte.
    »Manchmal haben Sie mir sogar noch in die Hände gespielt. Erinnern
Sie sich an den Tag, als sie mich zu dieser Betonfirma Breslauer in die
Fränkische Schweiz geschickt haben?«
    Klotz nickte. Er vermied es bewusst, irgendetwas zu sagen. Bei
Zebisch waren alle Dämme gebrochen. Jetzt galt es, sein umfassendes Geständnis
in all seinen Facetten wahrzunehmen. Später würde er den Anwärter festnehmen.
Er würde eine Zigarette rauchen und mit Zebisch zusammen lässig aus dem Laden
hier herausmarschieren.
    »Am Abend bevor Sie mich zu Breslauer geschickt haben, war ich bei
Fröhling gewesen, wo ich Ihr Grabmal in Auftrag gab. Da der Mann permanent
seine Fingernägel abkaut, war es nicht besonders schwer, DNA -Material zu sichern und am Tag
darauf am Tatort zu hinterlegen. Danach fuhr ich noch bei diesem Aussiedlerhof
vorbei, wo ich die Modellpyramide von Thorsten Gummler entfernte. Das war eine
völlig ungeplante Handlung. Ich wusste ja nichts von dieser Pyramide. Ich
wollte einfach sehen, wie er gelebt hatte, dieser Gummler. Wie er mit seiner
Schuld all die Jahre umgegangen war. Ein jämmerliches Leben. Durch und durch
erbarmenswert.«
    »Erbarmen. Das wäre ein anderer Weg gewesen. Warum hast du nicht den
gewählt?«
    »Warum sollte ich? Ich war vier Jahre alt, als meine Mutter von
diesen Halbstarken umgebracht wurde. Sie kamen alle davon. Nur weil einer von
Ihnen, dieser van der Heyd, einen Vater hat, der Staatssekretär im
Innenministerium ist, zählt plötzlich Recht und Gerechtigkeit nichts mehr? Wie
kann das sein?«
    »Ich gebe zu, dass man gegen den Staatsschutz wohl kaum irgendeine
Chance hat.«
    Klotz musste an Jürgen Schulze denken. An die perfide Art und Weise,
wie dieser aus dem Weg geräumt worden war. Und weshalb? Weil er ein aufrechter
Mensch war, der an diesen Staat und seine Statuten geglaubt hatte.
    »Wissen Sie, Herr Hauptkommissar, was das Schlimmste und
Schrecklichste an dieser Geschichte ist?«
    Klotz sah Zebisch in die Augen. Seine Maske war hinweggebrochen. Was
er dort sah, war ein Kind, dem ins Gesicht geschrieben war, dass es alles
verloren hatte. Ein Kind, das Trauer und Schmerz nicht überwinden konnte, wie
sehr es sich auch anstrengte. Klotz schwieg.
    »Es gab lange Zeit nur einen einzigen Raum auf dieser Welt, in dem
die Wahrheit aufbewahrt war. Dieser Raum zwischen den Wänden meines Schädels.
Und was dort war und ist, das ist nicht mitteilbar. Ich kann es immer noch
nicht beschreiben. Aber das, was ich als Vierjähriger in dieser lauen
Sommernacht mit ansehen musste, es hat sich eingebrannt, tief und heftig. Es
holt mich immer wieder ein, macht mich zu einem Besessenen. Und um mich von
diesen Bildern zu befreien und um den feigen, miesen, hinterhältigen Mord an
meiner Mutter zu rächen, habe ich diesen Rachefeldzug gestartet. Ich habe ihm
mein Leben gewidmet.«
    Klotz überlegte kurz, ob er sich schon eine Zigarette anzünden
durfte. Er sah über Zebisch hinweg und dachte, wie das denn sein konnte, dass
sich inmitten einer fröhlichen, ausgelassenen Menschenmenge solch eine
unvorstellbar tragische Szene abspielte. Und ihn beschlich die unangenehme
Empfindung eines Zynismus, der so gar nichts mehr von einer humorvollen Ironie
an sich hatte. Ihm wurde schlecht. Um diesem Gefühl zu entfliehen, musste er
etwas sagen.
    »Und es gab nichts anderes in deinem Leben? Du hast wirklich dein
ganzes Leben nur dieser Rache verschrieben?«
    »Ziemlich bald war mir klar geworden, dass ich meine Mission nur
dann erfüllen konnte, wenn ich in den Apparat einstieg. Wie hätte ich denn
überhaupt an die Identität derer herankommen können, die meine Mutter
umgebracht haben? Erst durch den Polizeidienst erhielt ich Zugang zu den Akten.
Und selbst das Aktenstudium gestaltete sich schwierig. Es dauerte eine Weile,
bis ich die Mörder meiner Mutter ermittelt hatte.«
    »Und wenn du die Ergebnisse deiner Untersuchungen dazu genutzt
hättest, die Sache noch einmal offiziell aufzurollen?«
    Zebisch lachte. »Ist das Ihr Ernst, Herr Hauptkommissar? Haben Sie
nicht bemerkt, dass der Staatsschutz schon wieder seine Muskeln spielen ließ?«
    Klotz fiel die Durchsuchung bei Frau Schulze ein.
    »Barnikol und Kaumann.«
    »Barnikol und Kaumann, exakt. Wahrscheinlich haben Sie gar nicht
bemerkt, dass

Weitere Kostenlose Bücher