Klotz Und Der Unbegabte Moerder
diesem strahlend hellen Julimorgen über sich ergehen lassen musste, machte sie beide verlegen. Aber letztendlich war Klotz an seinem Schlamassel ja selber schuld. Da musste er jetzt durch.
»Der Polizeipräsident hat es Ihnen gestern persönlich mitgeteilt, und jetzt sage ich es Ihnen! Und ich sage Ihnen noch etwas: Wenn ich auch nur noch ein einziges kleines Widerwörtchen aus Ihrem Munde hören sollte, werde ich das Dienstverhältnis, welches zwischen Ihnen und dem Freistaat noch besteht, augenblicklich auflösen! Haben Sie das verstanden?«
Auf dem Tisch vor ihm landete eine Faust, an der ein silberner Brillantring steckte. Klotz grummelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart hinein.
»Wie war das?«, hakte die Staatsanwältin in scharfem Ton nach.
»Ja! Ich sagte ja! Ja, ja, ja!«
»Gut. Dann wäre das also geklärt.«
Mit einer Geste, die etwas Finales an sich hatte, strich sich Frau Gulden durch ihr kastanienbraun gefärbtes Haar.
»Frau Haevernick, Herr Escherlich.«
»Ja?«
»Also. Sie werden zu dieser Schule fahren, zu diesem Max-Morlock-Gymnasium. Der Schuldirektor, Herr Dr. Löterich, erwartet Sie dort um neun Uhr. Auf meine Bitte hin hat er eine außerordentliche Lehrerratssitzung einberufen. Fordern Sie die Lehrerschaft zur Mitarbeit auf, fragen Sie nach Zeugen. Nach der Versammlung gehen Sie bitte durch die Klassen, die von Frau Cordes unterrichtet wurden. Ach, was erzähl ich Ihnen überhaupt. Ich muss Ihnen nicht erklären, wie Sie Ihre Ermittlungsarbeit zu tun haben.«
Das Schlimmste, dachte Klotz, das Schlimmste war nicht, dass er sich bei diesem Bayer entschuldigen sollte. Das Schlimmste war die öffentliche Herabwürdigung vor den Kollegen. Und dass die Gulden jetzt auch noch seinen Job machte und er im Prinzip so viel wert war wie ein besserer Praktikant. Klotz starrte auf das Gerippe des abgestorbenen Ficus Benjamini und hatte plötzlich den Eindruck, einen Seelenverwandten gefunden zu haben.
»Was ist eigentlich mit dem Dienstwagen?«, fragte er mit gebrochener Stimme, als die Staatsanwältin die Hand schon auf der Türklinke liegen hatte.
»Der Dienstwagen? Ich versteh nicht ganz …«
»Ja, unser Dienstwagen ist seit gestern in Reparatur«, klärte Haevernick auf.
»Ach, nehmen Sie doch einfach einen Streifenwagen.«
Klotz hatte den Eindruck, dass die Tür, die da gerade ins Schloss gefallen war, einen leicht genervten Ton von sich gegeben hatte. Ein fast unmerkliches Lächeln umspielte seine Lippen. Er nahm die Quittung von Frederiks Handy aus Lady Gagas Gesicht und steckte sie in einen abgegriffenen Geldbeutel, den er gestern zufällig in einer Umzugskiste gefunden hatte.
Dann stand er auf, sah Haevernick und Escherlich an und sagte: »Also, los geht’s!«
Irgendwie erinnerte ihn der vierstöckige Klinkerbau in der Wallensteinstraße an eine Käsereibe. Ob das an den schmalen, hochgezogenen Fenstern lag? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall war er nicht hierher gekommen, um irgendwelche nutzlosen Betrachtungen anzustellen, die niemanden weiterbringen würden. Und trotzdem, als Klotz sich auf den Weg zur Pforte machte, stellte er sich vor, wie sich ein riesiger Käse an dem Gebäude hin und her bewegte. Die Käseraspel würden durch die Fensteröffnungen fallen und die darin arbeitenden Beamten langsam erdrücken und ersticken. Ganz besonders diesen Bayer. Das hätte dieser überambitionierte Straßenpolizist verdient!
Klotz begriff, dass ihn seine destruktiven Phantasien bei der Lösung seiner Probleme nicht wirklich weiterbringen würden. Betont freundlich fragte er an der Pforte, wo denn Polizeimeister Jürgen Bayer anzutreffen wäre.
»Zimmer 234, wenn Sie Glück haben«, antwortete ihm der übellaunige Kollege und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger süffisant über den angegrauten Schnauzbart.
Das Neonlicht in den weiß gestrichenen Gängen erschien ihm kaum aushaltbar. Das einzig Erträgliche hier war die nette Polizistin, die ihn gerade im Vorbeigehen angelächelt hatte, dachte er sich, als er an die Tür von Raum 234 klopfte.
»Herein!«
Klotz machte einen betretenen Eindruck, das wusste er. Und trotzdem fühlte er sich nicht dazu in der Lage, diese Wirkung abzustellen.
»Ist denn der Herr Bayer zu sprechen?«
Der Beamte, der gerade eine Kaffeetasse mit dem großen bayerischen Staatswappen zum Mund führte, sah auf. Klotz beschlich ein ungutes Gefühl. Irgendwie kam es ihm so vor, als hätte er den Kollegen schon einmal irgendwo
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