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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Klier
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Doktorfisch?«
    Der Direktor kratzte an seinem Kriegerbart.
    »Bieringer! Sie sind hier an einer Schule, an einem Gymnasium. Ein seriöses, ernsthaftes Auftreten ist da unabdingbar und gehört zu den Grundfesten unseres Berufes. Seien Sie sich dessen bitte stets bewusst.«
    Löterich griff sich das Tellerchen mit den bunten Keksen, erhob sich und legte es auf seinem Schreibtisch ab. Dann warf er einen Blick auf die Uhr.
    Klotz stand auf und begab sich zur Tür. Plötzlich drehte sich Löterich in einem Ruck zu ihm um.
    »Und vergessen Sie nicht, Bieringer, Sie unterrichten hier Deutsch, nicht Biologie!«
    Da war es wieder, dieses Landwirtschaftliche. Er hatte die Worte in einem Duktus hervorgebracht, der an den eines Bauern erinnerte, welcher seinen Knecht anwies, wann und womit er die Schweine zu füttern habe. Klotz hätte dem promovierten Schulleiter am liebsten eine Mistgabel in die Hand gedrückt. Stattdessen drückte er die Klinke, dachte cool down pink und verabschiedete sich freundlich.
    Sie trug ein froschgrünes T-Shirt und schwarze Jeans. Ihre Hosen waren beinahe genauso schwarz wie das halblange Haar, unter dem ein längliches Gesicht hervorschaute, das an ein Pferd erinnerte. Dieses Pferdige, dachte Klotz, das kommt bestimmt von dem starken Überbiss. Damit man seinen Gedanken nicht erriet, ließ er den Blick auf ihre Hakennase wandern.
    »D’Abottiglia-Müller«, quäkte sein Gegenüber und vertrieb damit den Eindruck des Pferdehaften, »Ursula d’Abottiglia-Müller.«
    Klotz, der sich kurz zuvor unter seinem Decknamen vorgestellt hatte, fragte die Mittdreißigerin, wo sich denn Raum 205 befinde. Er habe da jetzt gleich Unterricht.
    »Wissen Sie was? Ich begleite Sie. Ich bin nämlich im Klassenzimmer nebenan, in 206. Was ist denn mit dem Karton da?«
    »Da ist die Lektüre drin.«
    »Ach, geben Sie her. Ich mach das schon.«
    Frau d’Abottiglia-Müller, die ihre Unterlagen in einer Umhängetasche trug, klemmte sich den Bücherkarton unter den Arm und ging forschen Schrittes voran. Klotz folgte wie ein treuer Vasall. Während er auf das wuchtige Hinterteil der Studienrätin schaute, musste er an die Frauengestalten der Wagner-Opern denken, und er kam zu dem Schluss, dass die Inszenierung von Frau Ursula d’Abottiglia-Müller perfekt gewesen wäre, hätte man nur den Walkürenritt eingespielt, während sie in den Ostflügel des Schulgebäudes trabte.
    Siebenundzwanzig Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Er spürte den erwartungsvollen Blick, der in ihnen lag, und bemerkte, dass er feuchte Hände bekam.
    »Aufstehen!«
    Vielleicht hatte seiner Aufforderung ein klein wenig das nötige pädagogische Einfühlungsvermögen gefehlt, dachte er, als er bemerkte, dass ihn die Mehrzahl der Jugendlichen plötzlich etwas verstört ansah. Zu seiner Schulzeit wären sie jetzt alle gestanden, dachte er weiter. Was war da bloß los?
    »Hört ihr schlecht?«
    Hie und da schnellte ein kurzes Lachen auf. In der vorletzten Reihe meldete sich ein rothaariger Junge, der eine Brille mit dicken Gläsern trug.
    »Ja bitte?«
    »Was meinen Sie mit ›aufstehen‹? Wir sind doch schon alle wach.«
    Der Saal tobte. Klotz spürte, dass sich ein Schweißtropfen von seiner linken Augenbraue löste. Er senkte seinen Blick, sah aufs Pult, wo der Bücherkarton lag. Gut. Okay. Schule im 21. Jahrhundert unterschied sich offensichtlich doch ein wenig von dem, was er aus den späten Siebzigern kannte. Hätte er auch früher dran denken können. Er würde wohl einen anderen Weg finden müssen, um zu seinen Schülern durchzudringen. Irgendwie musste es doch möglich sein, mit den jungen Leuten zu connecten.
    »Also, Sportsfreunde. Gleich klatscht’s, aber keinen Beifall! Auf drei steht die Mannschaft! Eins, zwei …«
    Klotz bemerkte, dass er ins Klo gegriffen hatte, und zwar ganz tief. Mit der Disziplin war es vorbei. Ein paar Schüler aus den hinteren Reihen waren aufgestanden und auf Stühle und Tische geklettert, standen stramm, hatten die flache Hand an den Kopf gelegt und salutierten. Andere gaben sich konvulsivisch anmutenden Verrenkungen hin, einem Zwischending aus Tanzen und sich Übergeben.
    »Herr äh … wir sind hier doch nicht bei der Bundeswehr!«, protestierte der Junge mit den roten Haaren.
    »Das wäre gar nicht so schlecht, wenn einige von euch ihren Wehrdienst absolviert hätten, bevor sie einen Fuß in so ein Klassenzimmer setzen durften«, brüllte Klotz die aufgebrachte Menge an.
    »Haben Sie gedient?«, rief

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