Klotz Und Der Unbegabte Moerder
Moment, um die Jugendlichen anzusprechen. Nicht lehrerhaft, eher so auf die kumpelhafte Tour. Da wäre doch sicher etwas herauszubekommen.
Er war noch nicht einmal ganz über die Straße gelaufen, als sich das Triumvirat auflöste. Wortlos gingen die drei Jugendlichen an ihm vorbei zurück in Richtung Schulgebäude. Nur das Mädchen, Anja Löterich, blickte ihn an. Sie lächelte. Klotz sah in die Weite. Sein Blick war auf die Kuppel des Fernsehturms geheftet, an der das Licht einer prallen Sommersonne feurig reflektierte. Im Hintergrund ertönte der Gong.
Wenn er zum Parkplatz an der Rothenburger Straße wollte, dann musste er zurück, durch die Aula, am Verwaltungstrakt vorbei. Also machte er kehrt. Der Hof war inzwischen wieder zur schülerfreien Zone geworden. An den Türen drängten die Kinder zurück in ihre Klassenzimmer. Komisch, dachte Klotz, irgendwie erinnerte ihn das soeben durchlebte Szenario an das Meer. Dieser Pausenhof. Wie auf Knopfdruck konnte er plötzlich geflutet werden, wurde laut und aufgeregt, klatschend und wild. Und dann, dann kam da dieser Schulgong, und mit einem Mal spülte es die Schülerwogen zurück ins Gebäude. Ebbe .
Klotz ging gerade über den hölzernen Boden der Aula, als er aus einer Ecke eine Stimme hörte, die ihm bekannt vorkam.
»Papa!«
Er wusste nicht genau, ob er erschrecken oder den Glücksgefühlen, die sich unweigerlich einstellten, freien Lauf lassen sollte. Unsicher schaute er um sich. Schließlich hatte sein suchender Blick ihn gefunden. Schnell lief er seinem Sohn entgegen, der im Eingang eines Korridors wartete.
»Frederik! Was machst du denn hier?«
Der Junge mit dem strohblonden Haar und den hellen Augen lächelte. Schlagartig wurde sich Klotz der Gefahr bewusst, in die ihn die unvorhergesehene Situation bringen konnte. Er nahm seinen Sohn an der Schulter und schob ihn schnell durch die Tür eines Schülerklos.
»Bitte sei jetzt einfach mal still«, instruierte Klotz und ließ den irritierten Jungen neben dem Pissoir stehen, während er die Kabinen kontrollierte. Schließlich ging er zurück zu Frederik, atmete auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Papa! Wieso bist du denn hier?«
Klotz war in die Hocke gegangen. Er fuhr seinem Jungen durchs Haar.
»Frederik, du musst mir versprechen, dass du niemandem irgendetwas von dem erzählst, was ich dir jetzt verrate.«
Die Augen des Jungen weiteten sich. Klotz griff nach der kleinen Hand seines Sohnes.
»Versprichst du mir das?«
»Ja, Papa. Ich versprech’s.«
»Ich bin hier im Einsatz, ich ermittle hier. Und niemand darf wissen, dass ich bei der Polizei bin und wie ich in Wirklichkeit heiße. Hast du das verstanden?«
»Na klar. Ich bin doch nicht blöd. Ich bin schon zwölf. Hast du das etwa vergessen?«
»Nein. Das habe ich nicht vergessen.« Klotz spürte ein Stechen in der Brustgegend. »Also, mein Junge. Zu niemandem irgendein Wort. Auch nicht zu deiner Mutter oder ihrem neuen Freund.«
»Dem«, Frederik machte eine wegwerfende Geste, »dem werde ich ganz bestimmt nichts erzählen. Das kannst du mir glauben.«
Endlich hatte Klotz’ Aufregung nachgelassen. Während er sich von einer Klorolle eine Papierschlange abriss, stellte er fest, wie sehr es auf dieser Toilette stank. Er sah zum Fenster und wunderte sich, dass hier niemand auf die Idee kam zu lüften.
»Frederik, wie kommt es eigentlich, dass du hier an dieser Schule …«
»Das war Mamas Idee.«
»Ich dachte immer, du wärst auf dem Steiner Gymnasium.«
Klotz wischte sich mit dem Klopapier übers Gesicht.
»War ich ja auch. Aber irgendwie war’s da blöd. Außerdem hatte ich an dem tollen Gymi Ein stein lauter schlechte Noten.«
Klotz wunderte sich über den ironischen Unterton, der in der Stimme seines Sohnes mitschwang. Früher war das nicht der Fall gewesen. Na, er war jetzt ja schon zwölf. Da fing das dann wohl an mit der Ironie.
»In welcher Klasse bist du überhaupt?«
»6b … Du, Papa.«
Frederik machte ein verkniffenes Gesicht.
»Ja?«
»Ich muss in den Unterricht, sonst krieg ich Ärger.«
»Na klar.«
Klotz nahm seinen Sohn in den Arm, und irgendwie, er wusste selbst nicht warum, gesellte sich zu den Schweißtropfen in seinem Gesicht ein klein wenig Tränenflüssigkeit.
»Dann mach’s mal gut, mein Junge. Und vergiss nicht, was wir besprochen haben.«
»Tschüss, Papa!«
Wenige Minuten später, kurz nachdem sein Sohn die Schülertoilette verlassen hatte, trat Klotz auf den Gang hinaus. Aus
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