Klotz Und Der Unbegabte Moerder
hier ermittlungstechnisch unterwegs bin.«
»Da haben Sie wohl recht. Also, Herr Oberstudienrat Bieringer …«
Der Schulleiter zeigte auf einen Sessel, der neben einem mahagonifarbenen Holztisch stand, und Klotz setzte sich.
Obwohl er einen Anzug am Körper und im Gesicht einen Henriquatre trug, hatte dieser Herr Dr. Löterich doch irgendwie etwas Landwirtschaftliches an sich. Ob es daran lag, dass er beim Gehen ein Bein nachzog, also quasi hinkte? Klotz wusste es nicht. Er saß angespannt an dem Tisch, auf dem neben einer Espressotasse ein Tellerchen mit bunten Keksen stand. Bunte Kekse! Was war das denn? Sollte das ein Scherz sein, oder war Löterich vielleicht ein Ästhet, der die Süßspeisen, die er anbot, farblich auf seine Aquariumsfische abstimmte? Klotz musste an dieses cool down pink denken und beruhigte sich. Der Schulleiter war inzwischen näher gehumpelt und schenkte Klotz in die Tasse ein.
»Wissen Sie, bevor ich hierherkam, war ich acht Jahre lang stellvertretender Direktor in Bamberg. Am E.T.A. -Hoffmann-Gymnasium. E.T.A. Hoffmann, das sagt Ihnen was, ja?«
Klotz nahm einen Schluck aus der Espressotasse und fixierte einen orange-weißen Fisch, der in seine Richtung schwamm.
»Selbstverständlich.«
Selbstverständlich wusste Oberstudienrat Bieringer, wer dieser E.T.A. Hoffmann war. Klotz hingegen assoziierte E.T.A. mit diesem kleinen Außerirdischen E.T. und dem BKA , dem Bundeskriminalamt. Musste irgendwie eine Kreuzung zwischen den beiden sein. Wenn man ehrlich darüber nachdachte, dann musste man zugeben, dass Klotz mit dieser Überlegung im Prinzip gar nicht so Unrecht hatte.
»Ein grandioser Bamberger!«, präzisierte Klotz euphorisch, und in einer Art, die er für lehrertypisch hielt, reckte er seinen rechten Zeigefinger in die Luft.
Oberstudiendirektor Dr. Löterich räusperte sich und setzte sich Klotz gegenüber.
»Nun gut. Da haben Sie sicher nicht ganz unrecht. Sei es, wie es sei. Kommen wir auf Ihre Tätigkeit hier an unserer Schule zu sprechen. Über den Unterrichtsstoff wurden Sie informiert?«
»Frau Staatsanwältin Gulden sagte, die 11a würde Goethes ›Werther‹ lesen.«
»Ja, das stimmt. Frau Cordes hatte die Lektüre noch bestellen können. Gelesen wurde da aber noch nichts. Den Karton mit den Büchern für die Schüler finden Sie im Lehrerzimmer.«
»Gut. Dann werd ich mal los.«
Er spürte Löterichs Hand auf seinem Unterarm, als er Anstalten machte, sich zu erheben, und ließ sich zurück in den Sessel sinken. Der orangefarbene Fisch mit den weißen Streifen und der schwarzen Bordüre an den Flossen befand sich nun auf Augenhöhe mit Klotz, und er hatte den Eindruck, als blicke ihn der Fisch irgendwie auf eine verschlagene Art und Weise an.
»Wenn ich Ihnen einen guten Rat erteilen darf«, sprach Löterich mit Nachdruck, »versuchen Sie, den Schüler mit Ihren Fragen zu umzingeln. Ziehen Sie immer engere Kreise, bis der Schüler gar nicht anders kann, als die richtige Antwort zu geben. Oder eben keine, falls er intellektuell suboptimiert ist.«
Während der Fisch seinen Mund langsam öffnete, fragte sich Klotz, ob der Herr Direktor auch nur im Ansatz irgendeine Ahnung davon hatte, was man als Ermittler bei der Mordkommission so zu tun hatte. Ob es sinnvoll wäre, den Schulbeamten darüber aufzuklären, dass er über mehrere Jahre hinweg in diversen Vernehmungs- und Fragetechniken nachhaltig ausgebildet worden war?
»Keine Sorge, Herr Dr. Löterich. Ich bin bestens vorbereitet. Sagen Sie, wie heißt denn dieser Fisch hier?«
»Das ist ein Amphiprion percula. Im Volksmund nennt man ihn auch Clownfisch, wegen seiner lustigen Farbgebung und dem schelmischen Gesichtsausdruck.«
»Aha.«
»Zurück zum Thema, Bieringer. Auch wenn Sie hier undercover arbeiten. Sie sollten versuchen, so gut wie möglich den Lehrer zu mimen. Und das geht nur, wenn Sie Druck machen. Ohne Druck, wissen Sie, geht hier gar nichts«, Dr. Löterichs Wangen hatten sich rot gefärbt, »ohne Druck, da tanzen die Ihnen auf der Nase herum! Geben Sie ruhig Hausaufgaben auf, und nicht zu knapp! Vergessen Sie nicht: In wenigen Wochen ist das Schuljahr zu Ende. Viele von denen meinen, sie könnten sich jetzt alles erlauben.«
Klotz sah dem Clownfisch in das listige Gesicht.
»Ich fordere Sie ausdrücklich dazu auf, Ordnungs- und Disziplinarmaßnahmen zu verhängen, wenn Sie es für nötig erachten.«
»Sagen Sie, Herr Dr. Löterich. Diesen Clownfisch, nennt man den nicht auch
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