Klotz Und Der Unbegabte Moerder
indem er ihn niedermachte?
»Ein förmliches Disziplinarverfahren habe ich bereits eingeleitet. Bis dahin sind Sie vom Schuldienst freigestellt. Dies gilt mit sofortiger Wirkung.«
»Aber …«, entfuhr es Klotz in verzweifeltem Ton.
»Meine Damen und Herren, hiermit erkläre ich die außerordentliche Sitzung im Fall Bieringer für beendet.«
D’Abottiglia-Müller stand augenblicklich auf. Murmelte eine Abschiedsformel und trabte zur Tür. Dich krieg ich noch, du Pferdefresse. Hüa! Brrrrr!
Schittkowski war in seinen Bewegungen eher bedächtig, beinahe schwerfällig. Er hatte plötzlich etwas Zermürbtes an sich. Ob diese Zermürbtheit echt oder nur gespielt war, das stand auf einem anderen Blatt. Klotz glaubte inzwischen erkannt zu haben, dass es der Lehrkörper sowohl im Allgemeinen als auch im Besonderen mit Ehrlich- und Wahrhaftigkeit nicht so genau nahm. Ein smarter Blender musste man sein, das war alles. Für einen Augenblick fiel ihm wieder dieser agile, junge Lehrer ein, der es in der gestrigen Fernsehshow durchaus verstanden hatte, nach außen hin stets eine gute Figur zu machen. Sich nur keine Blöße geben , das war wohl das allgemeine Motto der bayerischen Lehrerschaft. Nun gut, hier waren sie in Franken. Da war zum Glück ja alles anders.
Nachdem Schittkowski den Raum verlassen hatte, überlegte Klotz, ob er noch irgendetwas zu seiner Entlastung sagen sollte. Wieder fiel sein Blick auf das Aquarium, und da sah er, wie dieser orange-weiß-schwarze Fisch, den er so mochte, in einer seltsam abgehakten Vorwärtsbewegung dahinzuckte. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis das arme Tier den Todeskampf aufgeben und auf den Grund sinken würde.
»Dieser Doktorfisch«, fing er vorsichtig an, »glauben Sie, dass er überleben wird? Was ist da überhaupt passiert?«
Er sah Löterich ins Gesicht, und zum ersten Mal hatte er den Eindruck, so etwas Ähnliches wie Anteilnahme oder Mitleid in den Zügen des Direktors ausmachen zu können.
»Ich weiß auch nicht. Heute Morgen, als ich hier hereinkam …«
»Meinen Sie, dass die Fische vielleicht vergiftet wurden?«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Nur ich allein habe einen Schlüssel für das Direktorat, abgesehen vom Hausmeister natürlich. Aber warum sollte der denn meine Fische vergiften?«
Klotz starrte auf den spasmischen Doktorfisch. Ihm fiel die Tochter des Direktors ein und die Sache mit den K.-o.-Tropfen. Dann verließ er das Büro.
Er war ein wenig erstaunt, dass Schittkowski die Courage besessen hatte, vor dem Direktorat auf ihn zu warten.
»Auf ein Wort, Herr Kollege«, sprach ihn der Brutus an.
»Was willst du noch?«
»Ich … ich hatte keine andere Wahl. Das musst du mir glauben, Werner. Wären da nicht diese Videos und Bilder, ich hätte dich gedeckt, aber so …«
»Ich kann mich an einen Lehrer erinnern, der mal da stand, wo du jetzt stehst. Irgendwas hat der gefaselt, darüber, dass wenn man begriffen hat, dass das Gesetz falsch ist, dass es dann das größte Verbrechen ist, sich nach diesem Gesetz zu richten.«
Schittkowski sah betreten auf seine Schuhe. Jetzt wurde Klotz erst recht ärgerlich.
»Verdammt noch mal«, hallte es, »gibt es hier in diesem Puff überhaupt einen Einzigen , der Eier in der Hose hat?«
Klotz drehte sich um. Aus dem Augenwinkel konnte er erkennen, dass sich die Tür des Schulleiterbüros einen Spalt breit geöffnet hatte. Er neigte sich zur Seite und brüllte in die klaffende Öffnung: »Was?«
Mit einem Rumms wurde die Tür geschlossen.
Wutentbrannt stürmte Klotz aus dem Schulhaus. Sobald er ins Freie getreten war, wurde ihm schwindlig. Außerdem spürte er einen stechenden Schmerz in seinen Augen. Er griff an die Brusttasche von Schittkowskis Hemd und zog die Sonnenbrille, die dort steckte, hervor. Als er sie auf der Nase sitzen hatte, erkannte er vor sich diese Sandsteinsäule mit dem metallenen Fußball darauf. Am liebsten hätte er das Ding vom Sockel getreten, aber dafür war die Säule zu hoch. Deshalb begnügte er sich mit einem ordentlichen Tritt gegen die Basis. Autsch! Das hatte wehgetan! Die Spitze seines Fußes schmerzte so sehr, dass er sich nur noch hinkend weiterbewegen konnte.
Nach ein paar Metern erkannte er Barkhoff, der neben seinem Auto stand und eine Zigarette rauchte.
»Herr Barkhoff!«
Der Angesprochene drehte den Kopf in Klotz’ Richtung. Offensichtlich hatte er Schwierigkeiten, den neuen Kollegen in dem seltsamen Aufzug zu erkennen, denn es dauerte einige
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