Klotz Und Der Unbegabte Moerder
Sekunden, bis er den Arm hob und die Hand zum Gruß ausstreckte.
»Was ist denn mit Ihnen passiert? Sie machen ja dem Chef Konkurrenz.«
»Knöchel verstaucht. Nichts Ernstes.«
Während er einen tiefen Zug nahm, musterte Barkhoff sein Gegenüber. »Ziemlich lässig, Bieringer. Gefällt mir.«
Er blies Klotz den Rauch ins Gesicht.
»Ich wollte Sie da mal was fragen, Herr Kollege«, begann Klotz und versuchte sich zu beherrschen.
»Was gibt’s?«
»Mich hat da heute Morgen ein Junge aus der sechsten Klasse angesprochen.«
Barkhoff machte ein verständnisloses Gesicht.
»Der Schüler meinte, dass es in Ihrem Sportunterricht zu gewissen Vorfällen kam, die – sagen wir mal so – nicht so ganz –«
»War das dieser Klotz? Also, hören Sie mal, Herr Kollege. Ich sag das Ihnen jetzt im Vertrauen, weil Sie sind ja neu hier. Also dieser Frederik Klotz, das ist ein Weichei vor dem Herrn. Ständig heult der rum. Und dann denkt der sich solche Geschichten aus. Der phantasiert sich da was zusammen. Manchmal ist das so in dem Alter, dass die den Unterschied zwischen Phantasie und Realität nicht mehr erkennen und sich in irgendwelche Traumwelten flüchten.«
»Aber –«
»Schauen Sie doch mal lieber in die Akte von diesem Klotz, bevor Sie mir irgendwelche unbegründeten Vorhaltungen machen. Der Junge ist ein Scheidungskind! Schwer geschädigt. Der Vater ist bei der Kriminalpolizei, soll ein ziemlich verkommenes Subjekt sein, das hat mir die Mutter selbst in der Sprechstunde angedeutet. Vielleicht hat er von dem diese Geschichten von Missbrauch und anderem Pipapo.«
Klotz musste sich zusammenreißen. Seine innere Anspannung hatte ein so hohes Level erreicht, dass er sich dazu gezwungen sah, rein rational zu denken und seine Gefühle schnell wegzusperren. Später vielleicht würde er sie wieder herauslassen. Später, wenn er es sich würde leisten können. Später, wenn es angebracht sein würde. Aber dann gnade dir Gott, Barkhoff!
Der Sportlehrer schwieg. Nahm einen letzten Zug von der Zigarette. Warf sie auf den Boden. Langsam fuhr er sich mit der rechten Hand über den kahlen Schädel. Klotz bemerkte, wie sich Barkhoffs Bizeps dabei hoch und runter bewegte. Gut trainiert war er, das musste man ihm lassen. Plötzlich fiel Klotz eine Szene aus »Indiana Jones« ein. Da war ein Säbelkämpfer, der allerlei Faxen veranstaltete, bevor er Indiana sein Mordwerkzeug in den Leib zu rammen gedachte. Indiana, der ihm gegenüberstand, schüttelte während der Aufführung des Kämpfers verständnislos den Kopf, holte seine Knarre hervor und erschoss den zappelnden Säbelguru. So oder so ähnlich würde man das mit diesem Barkhoff machen müssen, beschloss er kühl und zwang sich im nächsten Moment, an seinen kriminalpolizeilichen Auftrag zu denken.
»Das sollte kein Vorwurf sein, Herr Barkhoff. Da haben Sie völlig recht, ich hätte mir vorher die Akte von diesem Klotz ansehen müssen. Ich glaube ja auch nicht, dass da irgendetwas dran ist, an diesen Vorwürfen. Eigentlich habe ich Sie nur darauf angesprochen, um Sie zu warnen. Habe mich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt. Sorry.«
In Barkhoffs Gesicht machte sich ein fettes Grinsen breit. Dann klopfte er Klotz versöhnlich auf die Schulter.
»Passt schon, Herr Kollege. Konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass Sie mir ans Bein pinkeln wollten. Ich fand Sie von Anfang an sehr sympathisch.«
Klotz wurde für einen Augenblick schlecht, und er bereute fast, was er gerade gesagt hatte. Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Mission.
»Danke. Ich fand Sie auch von Anfang an sympathisch.«
Barkhoff streckte ihm die Hand hin. »Wollen wir nicht Du zueinander sagen? Ich bin der Theo.«
»Werner.«
Klotz schüttelte die Hand. Nachdem er losgelassen hatte, holte Barkhoff seine Zigaretten hervor. Black Death. Ob den Schülern so etwas imponierte? Betont lässig bot er Klotz eine an.
»Willst du eine?«
Klotz überlegte einen Moment. »Danke, nein. Hab aufgehört damit.«
»Ist wohl besser so«, murmelte Barkhoff, der sich gerade eine anzündete.
»Da ist noch was anderes, Theo.«
»Nur raus damit. Tu dir bloß keinen Zwang an.«
»Wegen der Cordes …«
»Kommst du mit der Klasse nicht zurecht?«
Klotz schwieg.
»Das wundert mich gar nicht. Die Cordes war knallhart. So was von diktatorisch. Die Klassen von der sind Kasernenhof gewohnt. Klare Regeln, klare Ansagen, jedes noch so kleine Fehlverhalten wird sofort bestraft.«
»Oh, das wusste
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