Klotz Und Der Unbegabte Moerder
Tisch. Der Schulleiter setzte sich zwischen die beiden Kollegen.
»Herr Oberstudienrat Bieringer. Zu meiner Linken sehen Sie die Vorsitzende des Personalrats und Mitglied des Disziplinarausschusses Frau Studienrätin d’Abottiglia-Müller. Zu meiner Rechten Herrn Oberstudienrat Schittkowski, ebenfalls Mitglied des Disziplinarausschusses.«
Klotz versuchte, in dem verdunkelten Aquarium etwas zu erkennen. Waren das Fische, die da auf dem hellen Sandboden lagen?
»Herr Bieringer. Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Das, was Sie sich innerhalb der wenigen Tage, die Sie jetzt bei uns sind, geleistet haben, das schlägt dem Fass den Boden aus. So etwas ist mir in meiner nunmehr fast dreißigjährigen Dienstzeit noch nie untergekommen. Und dabei meine ich noch gar nicht einmal den Vorfall von gerade eben. Das wird noch aufzuklären sein, nein. Ich meine etwas viel Schlimmeres als das.«
Klotz erkannte ein Schiffswrack, das zwischen mäandernden Pflanzen steckte. Er sah einem toten Fisch dabei zu, wie er gerade in den aufgebrochenen Rumpf der Galeere hineinwaberte.
»Es besteht der begründete Verdacht, dass Sie Ihren Status als Lehrkraft ausgenutzt und sich an Schutzbefohlenen und sogar an Minderjährigen vergriffen haben.«
Klotz zuckte zusammen.
»Wie bitte? Können Sie das noch einmal wiederholen?«
Er sprang auf und machte einen Satz nach vorn.
»Ist das Ihr Ernst? Ich soll ein Kinderficker sein?«
»Setzen Sie sich gefälligst wieder hin! Auf der Stelle!«, brüllte Löterich jetzt ungehalten, »wir sind hier nicht im Tollhaus! Und mäßigen Sie Ihre Ausdrucksweise, sonst …«
Klotz begab sich zurück auf seinen Platz. Der Schulleiter wartete einige Sekunden, um in ruhigerem Ton fortzufahren.
»Vor zwei Tagen wurden Sie dabei beobachtet, wie sie mit einem Schüler der sechsten Klasse auf der Toilette verschwunden sind. Wenig später sollen Sie – offenkundig derangiert – in Begleitung des Jungen die Toilette wieder verlassen haben. Die Zeugin versichert, dass es an der Interpretation der Situation keinen Zweifel gegeben habe. Außerdem …«
Klotz sah d’Abottiglia-Müller wütend an. Doch die hatte schon während der Ausführungen ihres Vorgesetzten den Blick gesenkt. Am liebsten wäre er aufgesprungen und ihr an die Gurgel gegangen, so aufgebracht war er.
»Herr Dr. Löterich, bei dem Schüler handelt es sich um Frederik Klotz aus der 6b, Sie wissen doch selbst, dass …«
»Was fällt Ihnen ein, mir ins Wort zu fallen? Bieringer! Sie wollen die Konfrontation, Sie kriegen die Konfrontation!«
»Ich will keine Konfrontation! Ich will –«
»Ruhe!«
Löterich schickte sich an, seine Ausführungen fortzuführen.
»Außerdem wurden Sie gestern von mehreren Zeugen dabei beobachtet, wie Sie in offensichtlich betrunkenem Zustand eine Schülerin der Jahrgangsstufe elf tätlich belästigt haben.«
Klotz fühlte sich mit einem Mal völlig hilflos und ausgeliefert. Wie war er nur in diese missliche Lage hineingeraten? Er sah hinüber zu Willibald Schittkowski, der ihn mitleidig anblickte.
»Willi! Sag doch auch mal was!«
»Herr Oberstudienrat Schittkowski, der den gestrigen Bandabend hier an der Schule leitete, kann dies bestätigen. Herr Schittkowski, ich erteile Ihnen hiermit das Wort.«
»Ich selber habe von der Angelegenheit leider nichts mitbekommen«, hub Schittkowski an, »aber offensichtlich existiert eine Reihe von Bild- und auch Videomaterial, das den Vorfall dokumentiert.«
»Bieringer!«, stieß Löterich hervor. »Wissen Sie überhaupt, wie lächerlich Sie uns machen? Der Ruf der Schule ist dahin! Ganz Deutschland lacht sich über uns kaputt! Diese Fotos und Filme stehen inzwischen im Netz! Auf einer Seite, wie heißt die noch gleich?«
»www.betrunkene-dekorieren.de«, half Schittkowski dem Chefankläger.
»Danke, Herr Schittkowski.«
Löterich wandte sich wieder dem Angeklagten zu.
»Herr Bieringer. Egal, wie viel nun an diesen Vorwürfen dran ist. Da bleibt immer etwas hängen. Auf jeden Fall habe ich den Disziplinarausschuss dazu aufgefordert, den Fall gründlich zu untersuchen und aufzuklären.«
Untersuchen und aufklären. Klotz brach beinahe zusammen. Wenn die Sache nicht so ernst gewesen wäre, hätte er jetzt lauthals gelacht. Und warum überhaupt veranstaltete Löterich dieses Spiel? Hatte der Direktor vergessen, dass er hier als Undercover-Polizist arbeitete? Oder wollte er den Schein vor dem Rest des Kollegiums möglichst glaubhaft wahren,
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