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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Willie, und früher oder später reden sie über Joyce.
    Gefängnisdirektor lacht. Ich lese
Ulysses
jedes Jahr einmal, sagt er.
Die Geschichte ist ein Albtraum, aus dem ich zu erwachen suche
 – und so weiter.
    Ich habe eine Schwäche für die Geschichten. Während meiner letzten Knastrunde wollte ich
Ulysses
lesen, hab es aber nur bis Episode  12 geschafft.
    Die Zyklopen! Klar. Die Szene im Pub – mit dem Antisemiten.
    Ein hartes Stück Arbeit. Diesmal hab ich vermutlich Zeit, es von vorne bis hinten zu lesen.
    Gefängnisdirektor bietet Willie behäbig und würdevoll eine Zigarette an.
    Chesterfield, sagt Willie. Meine Marke.
    Ich weiß, Willie. Ich weiß.
    Am 8 . März 1952 , gegen Mitternacht, liegt Willie auf seiner Pritsche und liest Dos Passos. Gefängnisdirektor erscheint an der Tür. Willie setzt sich auf, legt ein Lesezeichen ins Buch. In Gedanken ist er immer noch bei Eugene Debs, Henry Ford und William Hearst – er hatte nicht gewusst, dass Hearst von seinen Freunden Willie genannt wurde.
    Was macht die Kunst, Sir?
    Im Gesicht des Gefängnisdirektors, in dem Zug um seinen Mund sieht Willie, dass ihm Bücher nicht ferner sein könnten. O nein, verschonen Sie mich damit!
     
    Knipser tritt auf die Bremse. Der Polara rammt beinahe die hintere Stoßstange eines Buick, der aus unerfindlichen Gründen mitten auf der Straße angehalten hat. Knipser drückt auf die Hupe.
    Fahr außen rum, sagt Schreiber zu Knipser.
    Der Arsch bewegt sich nicht, sagt Knipser. Fahr weiter, Arschloch! 
    Mit lauter Stimme, um die Hupe zu übertönen, sagt Schreiber zu Sutton: In den Unterlagen steht eine interessante Geschichte. Nachdem Arnie Sie in der U-Bahn entdeckt hatte, ging er nach Hause und fand seine Mutter an der Küchenspüle. Er sagte zu ihr: Du wirst es nicht glauben, ich hab eben einen Dieb gesehen. Darauf Arnies Mutter: Ach was, wen hast du denn gesehen? Und Arnie: Willie Sutton. Seine Mutter: Wer ist das? Arnie: Ein Mann, den die Polizei sucht, ich hab ihn entdeckt, ich hab heute Detektiv gespielt. Diese Unterhaltung gab Arnies Mutter Wort für Wort den Ermittlern wieder. Nachdem – Sie wissen schon.
    Armer Arnie, sagt Knipser.
    Er hat sich unter dem Druck wie ein echter Champ gehalten, sagt Schreiber. Er hat einen ziemlich hochnäsigen Brief an einen seiner besten Freunde geschickt, der gerade in die Armee eingetreten war. Soll ich ihn vorlesen, Mr Sutton?
    Nein.
    Er stammt vom 4 . März 1952 .
Lieber Herb – Wie geht’s Dir, Junge? Bekommt Dir das Wetter in Texas? Tut mir leid, dass ich Dir erst jetzt schreibe, aber wie Du weißt, war bei mir in den letzten zwei, drei Wochen einiges los, und ich hatte alle Hände voll zu tun. Jetzt kehrt wieder Normalität ein, dieselbe alte Plackerei. Aber ich kann dir sagen – es war die Hölle.
    Oh Gott, sagt Sutton.
    Schon komisch, wie sich das Leben von heute auf morgen ändern kann. Von einem Tag auf den anderen bin ich DER Mr Schuster, und jetzt bin ich wieder einfach nur Arnie. Na ja, vielleicht kann ich daraus was lernen. Und wenn nicht, tut es mir auch nicht leid. Im Augenblick bin ich einfach nur froh, wenn alles vorbei ist. Arnie.
    Die Banken haben ihn verarscht, sagt Sutton.
    Die Banken?
    Die Banken haben ihm die Belohnung nicht gezahlt. Angeblich hatten sie nie eine versprochen. Sie sagten, die Belohnung war nur eine Erfindung der Zeitungen. Arnie ging leer aus.
    Scheißbanken, sagt Knipser.
    Interessant, wie viel Sie gemeinsam hatten, Mr Sutton.
    Wer?
    Sie und Arnie Schuster.
    Wie kommst du denn darauf?
    Sie kommen beide aus Brooklyn. Sind beide Dodgers-Fans. Beide Volkshelden – und auch Staatsfeinde. Beide unbeliebt bei den Cops. 
    Sutton schließt die Augen.
Aus einem Wust von Worten rings um dich.
    Wie bitte?
    Ach, nichts.
    Jedenfalls, sagt Schreiber, wurde Arnie krank. Eine Woche lang lag er mit einer Erkältung im Bett, und am 8 . März ging er zum ersten Mal wieder zur Arbeit im Bekleidungsgeschäft seines Vaters. Gegen halb neun abends telefonierte er mit Eileen Reiter, der Schwester seines besten Freundes, Jay. Arnie und Jay gehörten zu einem Kellerclub in Brooklyn, der sich die Schelme nannte.
    Schelme?, sagt Sutton.
    Ja. Sie trafen sich einmal pro Woche, planten gesellschaftliche Ereignisse, redeten über Mädchen. Für unanständige Bemerkungen gab es Geldstrafen.
    Pfadfinder, sagt Sutton.
    Arnie und Eileen wollten sich später am Abend treffen. Bei einer Party. Arnie wollte erst nach Hause gehen, sich duschen und umziehen. Er

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