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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Tuch. Ein Verräter, der einen Helden bei der Polizei verpfiffen hat. Ein Spitzel, der mit dem Finger auf Willie the Actor gezeigt hat. Außerdem ist er Jude. Ihn erreichen viele Todesdrohungen mit der Anrede: Lieber Judas.
    Sie erreichen ihn deshalb, weil die Zeitungen seine Adresse abgedruckt haben: 941  Forty-Fifth Street.
    In der Zwischenzeit suchen die Cops weiter nach Willies Bande. Sie sichten den Inhalt seiner Brieftasche, finden seine Adresse und stürmen die Pension in der Dean Street. Die Vermieterin führt sie nach oben in Willies Zimmer, wo sie Abertausende Dollar entdecken, ein kleines Waffenarsenal und ein Regal, das von Büchern überquillt. Am meisten schockieren sie die Bücher. Die Zeitungen veröffentlichen die Liste. Die Leseliste des Bankräubers.
    Nach wenigen Tagen ist Proust in allen Buchhandlungen vergriffen.
    Außerdem finden sie Willies Schreibsachen. Skizzenbücher, Hefte, einen Romanentwurf – und ein schmales, unter der Matratze verstecktes Adressbuch. Die Cops suchen und verhaften Mad Dog und Dee. Und Margaret. Als sie ihre Tür eintreten, liegt sie im Bett, eine Hand über dem Auge, das mittlerweile doppelt so groß ist wie normal. Von Schmerz gequält, bittet sie um einen Arzt, den man ihr verweigert, solange sie keine Informationen liefert. Sie schwört, dass sie nichts weiß.
    Polizei und Reporter schwärmen in der Stadt aus und besuchen sämtliche in Willies Aufzeichnungen erwähnte Banken. Sie erhalten einen Anruf von Oberschwester und rasen nach Staten Island, wo sie von Joseph dem Pförtner erfahren, dem Engel der Farm Colony. Auch die Hauswirtin schürt die Flammen von Willies wachsendem Mythos und erzählt einem Reporter, dass Willie immer ein perfekter Gentleman war, der ihr Geld für den Arzt gab, als ihr Sohn krank war, und der ihr zum Geburtstag Rosen schenkte. Als die Cops ihre Tochter verhören wollen, die Willie in Spanisch unterrichtet hat, sagt die Tochter, sie sollen sich verpissen. Damit wird sie im Barrio zur Heldin.
    Eine Woche nach seiner Verhaftung liegt Willie auf seiner Pritsche. Er hebt den Kopf. Er hört etwas. Zuerst klingt es wie die Brecher auf Coney Island.
    Wache?
    Ja.
    Was ist das?
    Die Menge.
    Wo?
    Draußen.
    Was machen sie?
    Singen.
    Warum?
    Sie singen für dich.
    Für mich?
    Willie legt die Hand hinters Ohr und versucht etwas zu verstehen.
    WILL -ie,
WILL -ie,
WILL -ie.
    Der Wachmann dreht sich um, beäugt ihn durch die Gitterstäbe. Dann sagt er mit schwerem Sarkasmus: Du bist ein Held.
    Willie hört nur das Wort, nicht den Sarkasmus.
     
    Knipser biegt nach links auf die Ninth ein. Schreiber, der die Unterlagen durchsieht, spricht schnell.
    Der Briefträger von Arnie Schuster kann einem leidtun. Der hatte im Februar und März 52 alle Hände voll zu tun. Immer mehr Todesdrohungen landeten bei Schuster. Primitiv, ohne Satzzeichen, falsch geschrieben. Hier ist eine schöne.
Mac – Du bist dran. Du hast Sutton verpfiffen. Du weißt, was mit Verrätern passiert. Du bist erledigt. Gezeichnet, Einer von den Jungs.
    Die Zeitungen haben die Drohungen abgedruckt, sagt Sutton. Was nur noch mehr Leute ermutigt hat, Drohbriefe zu schreiben.
    Hier ist noch einer, sagt Schreiber. Ein Muster an Schlichtheit:
Verräter Verräter Verräter.
    Knipser schaut in den Rückspiegel. Hey – was ist mit Margaret passiert? Ihrer Freundin?
    Sutton zündet sich eine Chesterfield an und sieht aus dem Fenster.
    Willie?
    Ihr Auge, sagt Sutton.
    Was war damit?
    Es ist einfach – ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Explodiert.
    Es ist was?
    Margaret hat immerzu um einen Arzt gebeten, und die Cops haben ihn immerzu verweigert, und dann ist der Tumor in ihrem Auge – denn das war es letztlich – einfach explodiert. Sie bekam eine Infektion, wurde blind. Sie hat New York wegen fahrlässigem Verhalten verklagt, aber ich weiß nicht, was aus der Klage geworden ist. Ich hab ihr oft geschrieben, aber nie eine Antwort bekommen. Sie ist einfach verschwunden.
     
    Gegen Mitternacht, als die skandierende Menge gegangen und das Gefängnis wieder ruhig ist, kommt Gefängnisdirektor in Willies Zelle. Er gesteht Willie, dass er in Irish Town aufgewachsen ist. Nicht weit entfernt von der Ecke Nassau und Gold. Auch er war an der St. Ann’s. Sie unterhalten sich über das alte Viertel, über das Durchschwimmen des East River.
    Am längsten unterhalten sie sich über Bücher. Sie lieben dieselben Autoren. Gefängnisdirektor erwähnt Joyce.
    Steck zwei Iren in eine Zelle, sagt

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