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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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klopft damit auf die Mahagonifläche. Was ist dein wertvollster Besitz, Willie?
    Willie überlegt. Wahrscheinlich ist das eine Falle, denn jede mögliche Antwort scheint ihm falsch. Er betrachtet den Silberdollar. Sir, ich besitze nichts Wertvolles.
    Mr Endner schaukelt in seinem quietschenden Schreibtischstuhl. Genau das ist ein Teil unseres Problems. Aber gehen wir davon aus, du hättest etwas. Gehen wir davon aus, du besäßest einen Diamanten so groß wie dieser Silberdollar.
    Ja, Sir.
    Was würdest du damit tun?
    Tun, Sir?
    Wofür würdest du ihn ausgeben? Für ein Rootbeer?
    Nein.
    Ein Eis für zehn Cent?
    Nein, Sir.
    Natürlich nicht. Würdest du ihn für dich ganz allein behalten?
    Ja, Sir.
    Nun ja, dann verstehst du meine Position. Gott höchstpersönlich hat uns Bess in die Hände gelegt, und sie ist mehr wert als jeder Diamant. Es ist unsere Pflicht, mit äußerster Sorgfalt darauf zu achten, wer sie bekommt. Das ist keine leichte Aufgabe. Mrs Endner und ich liegen nächtelang darüber wach. Und Bess, sosehr wir sie auch lieben, macht die Sache nicht einfacher. Sie ist ein stures kleines Mädchen, das keinen Ärger scheut. Wie du sicher weißt. Deswegen mag sie dich vermutlich auch.
    Sie sagt, sie liebt mich, Sir.
    Das glaube ich
cum grano salis
, mein Sohn.
    Aber, Sir.
    Hör zu, ich habe nichts gegen dich, Willie, aber seien wir ehrlich. Im Grunde deines Herzens weißt du selbst, dass du kein geeigneter Partner für Bess bist.
    Willie leidet plötzlich unter Atemnot. Er zupft an seinem Kragen.
    Mr Endner, Sir, ich musste zwei harte Rückschläge hinnehmen, das stimmt. Ich habe zwei Jobs verloren. Mein Start ins Leben war vermutlich etwas holprig. Aber trotzdem. Mein Schicksal ändert sich bestimmt.
    Woher willst du das wissen, mein Sohn? Wie kannst du dir sicher sein? Niemand kann das Unglück ergründen. Oder weiß, woher es kommt. Vielleicht ist es vorübergehend wie eine Krankheit. Oder aber dauerhaft wie ein Muttermal. Vielleicht ist es wild und willkürlich wie der Wind. Vielleicht ist es ein Zeichen von Gottes Missfallen. So oder so. Gehen wir davon aus, du bist durch schieres Pech arbeitslos geworden und nagst am Hungertuch – soll mich das etwa beruhigen? Dieses Land gehört den Erfolgreichen. Ich möchte doch nicht, dass mein kleines Mädchen mit jemandem zusammen ist, der vom Pech verfolgt wird.
    Um auf Ihre vorherige Bemerkung einzugehen, Sir. Ich weiß, dass Bess ein Diamant ist. Das muss mir niemand sagen. Sie wünschen ihr also einen Mann, der sich Diamanten leisten kann. Aber würde ein solcher Mann einen Diamanten nicht als etwas Selbstverständliches betrachten? Würde ein Mann, der vor wenigen Monaten zum ersten Mal einen Diamanten gesehen hat, ihn nicht eher zu schätzen wissen? Und Sir, ich wünschte, ich hätte das gleich gesagt, als Sie vorhin fragten, aber ich bin sehr nervös und mir ist es eben erst eingefallen: Wenn ich einen Diamanten hätte, wüsste ich sofort, was ich damit tun würde. Ich würde ihn Bess schenken.
    Gut, Willie, ich verstehe dich.
    Danke, Sir.
    Was würde es kosten, Willie?
    Kosten?
    Dich verschwinden zu lassen?
    Wie bitte? Was?
    Noch heute Nachtmittag lasse ich meinen Anwalt ein Schreiben aufsetzen. Rechtskräftig. Wenn du es unterschreibst und einwilligst, dich von meiner Tochter fernzuhalten, schreibe ich dir einen Scheck aus, der mehr Nullen hat als die Anzeigetafel nach einem Wurf von Walter Johnson. Davon kannst du ziemlich gut leben, bis du eine neue Stellung findest. Und selbst wenn du jahrelang keine Arbeit findest, kannst du gut davon leben.
    Willie steht auf, dreht den Hut in den Händen, einmal im Kreis.
    Mr Endner, Sir, ich möchte Ihr Geld nicht. Sie können ein Schreiben aufsetzen lassen, in dem steht, dass ich nie und nimmer auch nur einen Cent davon annehme. Das würde ich unterschreiben.
    Du bist also anständig?
    Ja, Sir.
    Du hast
Charakter
.
    Jawohl, Sir. Wenn Sie mich nur besser kennen würden –
    Dann würdest du bestimmt alles tun, um die Beziehung zwischen einem jungen Mädchen und seinen Eltern nicht zu zerstören. Dein Anstand, dein
Charakter
werden dich daran hindern, dich in eine private Familienangelegenheit einzumischen.
    Willie blinzelt.
    Ich habe Bess verboten, dich zu sehen, Willie. Egal, ob du meiner Entscheidung zustimmst oder nicht: Solltest du meine Wünsche missachten, solltest du gegen die Regeln dieser Familie verstoßen, dann bestätigst du meine dunkelsten Befürchtungen über dich. Wenn du mir zeigen willst,

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