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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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betrügst sie, Marcus. Du musst also netter zu ihr sein, ihr mehr Aufmerksamkeit schenken. Vor allem, weil sie alles weiß, über unsere – Sache. Du darfst ihr keinen Grund liefern, sich zu rächen.
    Tu ich aber.
    Was?
    Ich betrüge sie.
    Willie hält sich die Augen zu. Heilige Muttergottes.
    Ich hab die Liebe meines Lebens getroffen, Willie. Sie ist aus St. Louis. Ein echtes Mädel aus dem Mittleren Westen. Gesund. Aber auch ziemlich versaut. Sie mag es, wenn ich ihr den Arsch versohle. Kannst du dir das vorstellen, Willie? Sie ist mit ihrer Familie zerstritten, glaube ich, und deswegen an die Ostküste gezogen. Sie hat sich als Tanzpartnerin verkauft, um über die Runden zu kommen. Bis sie mich kennenlernte.
    Willie nimmt seinen Filzhut ab, wischt sich über die Stirn.
    Die Sachen, die sie im Bett sagt, Willie, du glaubst es nicht. Sie stammt aus Soulard, einem der ältesten Viertel von St. Louis.
    Hat Marcus den Verstand verloren? Willie zündet sich eine Zigarette an, nimmt einen sehr tiefen Zug, starrt auf die Spitze. Sie wirkt heller als sonst, wie ein Blutstropfen.
    Wir haben uns im Roseland kennengelernt, sagt Marcus. Unseren ersten Tanz werde ich nie vergessen.
I’m Good For Nothing But Love
.
    Wieder erstaunlich unwichtige Informationen. Sie schlendern weiter, und Marcus erzählt weiter. Unter einer Straßenlaterne an der Seventy-Ninth bleiben sie stehen. Willie hat das Gefühl, keinen Schritt mehr gehen zu können. Er greift in seine Brusttasche, streichelt das Strychnin. Das sind sehr schlechte Nachrichten, Marcus.
    Entspann dich, Willie. Ich hab alles unter Kontrolle.
    Aber sicher doch. Klar. Kontrolle. Hör zu, Marcus. Mich interessiert nicht, wen du liebst oder mit wem du es treibst, aber Dahlia muss glücklich bleiben, verstehst du? Dahlias Glück steht an erster Stelle. Dahlias Glück ist wichtig für unser Glück. Mein Glück.
    Marcus nickt.
    Halt dein Taxigirl außer Sichtweite, sagt Willie.
    Millicent.
    Was?
    Sie heißt Millicent. Du musst sie unbedingt kennenlernen.
    Willie blitzt ihn böse an, schnipst seine Zigarette in den Rinnstein und marschiert davon.
    Ein paar Tage später erhält Willie einen Anruf. Dahlia. Sie ist außer sich. Sie hat ein paar Briefe gefunden, geschrieben auf Marcus’ neuer Underwood.
    Briefe? An wen?
    An seine Hure.
    Wenn sie an die sind, wie hast du sie dann gefunden?
    Auf den Durchschlägen.
    Willie hält sich die Hand vor den Mund. Durchschläge.
    Willie, du hast gesagt, du lügst nie, wenn es um Liebe geht. Aber das stimmt nicht. Du hast gelogen. Du und Marcus, ihr gehört beide ins Gefängnis.
    Gefängnis? Dahlia, Schätzchen, was sagst du da? Du ziehst voreilige Schlüsse. Lass uns über alles reden. Ich kann es dir erklären.
    Dann erklär es mir.
    Nicht am Telefon. Wir treffen uns im Childs Restaurant im Ansonia Hotel. Glaub mir, es ist nicht so, wie es aussieht. In einer Stunde. Childs. Bitte.
    Sie hängt ein, ohne zu antworten.
    Er kommt zu früh. Dahlia ist schon da. Sie sitzt an einem kleinen Tisch ganz hinten, neben der Küche, und trägt ein schreckliches Kleid und eine Scheitelkappe aus Filz, die einem ledernen Footballhelm gleicht. Willie küsst sie auf die Wange, lässt seinen Hut auf den Tisch fallen. Er nimmt ihr gegenüber Platz und bestellt für jeden ein Stück Kuchen und eine Tasse Kaffee.
    Wie geht es dir, Dahlia?
    Das Baby tritt heute wie verrückt. Als ob es unbedingt rauswollte.
    Ich weiß genau, wie ihm zumute ist, denkt Willie. Also, Dahlia, sagt er, diese Briefe.
    Die Bedienung bringt ihren Kuchen und Kaffee. Er wartet, bis sie weg ist.
    Ja?, sagt Dahlia.
    Es ist ganz einfach, Dahlia. Der Roman, Dahlia. Marcus’ Roman.
    Der Roman.
    Ja. Die Briefe sind aus Marcus’ Roman. Offenbar ist es ein Roman in Form von Briefen. Man nennt das Briefroman.
    Oh, bitte.
    Doch, klar, die Briefe sind nichts weiter als Passagen aus einem unfertigen Werk. Es ist lachhaft, wirklich. Ich verstehe, warum du dachtest –
    Aber er hat sie unterschrieben, Willie. Mit seinem eigenen Namen.
    Ja, gut, Marcus hat vermutlich ein paar wahre Vorfälle aus seinem früheren Liebesleben genommen, alte Affären und so fort, und sie in eine Mischung aus Fakten und Fiktion umgearbeitet. Schriftsteller machen das immer.
    Du sagst, es gibt kein Taxigirl namens Millicent? Aus Soulard?
    Willie isst eine Gabelvoll Kuchen. Natürlich gibt es eine Millicent, sagt er. Aber sie kommt nicht aus Soulard. Sie kommt aus dem fiebrigen Verstand von Marcus Bassett. Deinem Mann. Vater

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